Ist die Ernährung der Weltbevölkerung angesichts des zunehmenden Nutzung von Ackerflächen für die Biokraftstoffproduktion zu gewährleisten, und, wenn ja, zu welchem ökologischen und gesellschaftspolitischen Preis?
Michael Kauch, stellte fest, dass erstaunlicherweise keine Vertreter der Umweltschutzverbände zu dieser Podiumsdiskussion eingeladen worden seien.
Am 19.06. hatte der Thinktank berlinpolis e.V. zu einer Podiumsdiskussion zum Thema ‚Tank und Teller’ in die Hamburgische Landesvertretung in Berlin-Mitte geladen.
Die Ölvorräte werden nur noch ca. 42 Jahre reichen, die Erdöl exportierenden Staaten zeichnen sich durch politische Instabilität aus, 200 Dollar pro Barrel sind in naher Zukunft wahrscheinlich, mit diesem abschreckenden Szenario eröffnete Daniel Dettling, Vorsitzender von berlinpolis e.V. sein Impulsreferat zum Thema ‚Tank und Teller’. Die erheblichen Preissteigerungen bei Grundnahrungsmitteln wie Getreide, Mais und Soja, hatten bereits Ende vergangenen Jahres zu Protesten von Seiten der großen Hilfsorganisationen gegen die vermehrte Nutzung von Agrarflächen zur Produktion von Biosprit geführt - und damit unter dem Schlagwort ‚Tank oder Teller’ zahlreiche Presseartikel. Die Ursachen des Preisanstiegs lägen, so Dettling, hauptsächlich in der gestiegenen Nachfrage. Wesentliche Gründe dafür sind das Bevölkerungswachstum und der vermehrte Konsum von Fleisch und Milchprodukten in den Schwellenländern. Missernten tragen zudem immer wieder zur Verknappung des Angebots bei. Zu 90 Prozent aber sei die Fleischproduktion an der gestiegenen Nachfrage nach Getreide Schuld. 62 Prozent des Getreideanbaus weltweit werden für Tierfutter verwendet.
Das Flächenpotenzial in Deutschland sei für die Biokraftstoffproduktion ausreichend, es gebe viele Flächen, die brach lägen und die nun, wo die zu erzielenden Preise für den Anbau von Getreide gestiegen sind, wieder rentabel genutzt werden können. „Wenn Anreize zur Agrarnutzung von Flächen gestärkt werden sollen, dann geht das nur über höhere Preise,“ so Dettling.
Das Hungerproblem könne mit verstärkten Investitionen am Besten gelöst werden. Auch in den Entwicklungsländern habe man in den letzten Jahrzehnten die Bewirtschaftung von Agrarflächen sträflich vernachlässigt, eben weil Grundnahrungsmittel auf dem Weltmarkt so billig waren. Viele Entwicklungsländer sind von Getreideimporten aus Ländern wie den USA abhängig. Zudem müsse dafür Sorge getragen werden, die Erträge mit Hilfe von grüner Gentechnik zu verbessern, damit wäre den Hungernden eher geholfen als mit einer Verteufelung des Biosprits.
In Brasilien wird in Zukunft sogar Biostrom aus Ethanol gewonnen werden, führte Eduardo Gonçalves, Botschaftssekretär u. Leiter der Wirtschaftsabteilung der Brasilianischen Botschaft in dem zweiten Einführungsreferat aus. Brasilien hat bereits sehr früh, schon während der Ölkrise in den 70er Jahren, damit begonnen, mit Ethanol eine Alternative zum Erdöl zu fördern. Heute hat dieses Land den weltweit höchsten Anteil an der Verwendung des höchst effizient aus Zuckerrohr zu produzierenden Treibstoffs. Bereits 1975 steigerte man den Anteil des Biokraftstoffs auf 25 Prozent. Die E100 Autos, deren Motoren für diesen Kraftstoff ausgerüstet waren, wurden von der Steuer befreit. Ende der 80er Jahre allerdings kam es aufgrund des sinkenden Ölpreises zu einem Rückgang des Ethanolangebots, dies führte zu Problemen, weil die Autos entweder nur Biodiesel oder normales Benzin tanken konnten. VW entwickelte dann in Brasilien die Flexfuel Autos, die beide Kraftstoffarten vertragen. Laut Gonçalves verwendet Brasilien für die Ethanolproduktion nur 1 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und die liegt überwiegend im Bundesstaat Sao Paolo, also weit entfernt vom Gebiet des Amazonas. Für die starken Zuwächse in der Ethanolproduktion sei vor allem die Effizienzsteigerung des Zuckerrohranbaus verantwortlich, man erzeugt dort mittlerweile 7000 Liter pro Hektar. Ein entscheidender Vorteil liegt auch in der verringertem CO2-Ausstoß von Ethanol, der liege im Vergleich zum Erdöl bei 70 Prozent, so Gonzales. Die brasilianische Regierung hat das Qualitätssiegel sozialer Kraftstoff eingeführt. Steuerbefreiung und Kredite fördern auch für Kleinbauern den Anbau von Biokraftstoff, was zu einer deutlichen Verringerung der Bevölkerungsarmut im ländlichen Bereich geführt habe. 13 Millionen Brasilianer leben von der bäuerlichen Landwirtschaft. Zudem gebe es durchaus auch Maßnahmen des Staates zur Überwachung der Umweltverträglichkeit des Anbaus. So habe der Staat beispielsweise das Soja Moratorium verhängt, die Verpflichtung kein Soja von neu gerodeten Flächen des Amazonas zu kaufen. Die Eingangs erwähnte Stromerzeugung wird insbesondere die Zuckerrohrabfälle nutzen, so ist für 2015 eine Deckung von 15 Prozent des brasilianischen Strombedarfs geplant. Ethanol stelle somit für Brasilien eine Art „Energy-Commodity“ dar, eine Erfolgsgeschichte, die sich für den Export in andere Länder eigne.
In der anschließenden Podiumsdiskussion dankte Staatssekretärin Ursula Heinen den beiden Vortragenden insbesondere Daniel Dettling für den ‚objektiven’ Vortrag, der den von der Presse verbreiteten Irrtum ausgeräumt habe, die Preissteigerungen beim Getreide gingen auf die Biokraftstoffproduktion zurück, und anstelle dessen die veränderten Ernährungsgewohnheiten und witterungsbedingten Ernteausfälle als Hauptursachen benannt habe. Nur zwei Prozent der weltweit verfügbaren Ackerflächen würden für Biokraftstoff genutzt. Frau Heinen räumte ein, dass es regionale Verzerrungen geben könne, der Tortilla-Streit in Mexiko habe als realen Hintergrund den enormen Zuwachs an Agrarflächen, die die US-Industrie zur Produktion von Biodiesel nutzt. Dort gibt es eine Nahrungsmittelkonkurrenz, die aber ausgleichbar sei und nicht dauerhaft problematisch.
Michael Kauch, umweltpolitischer Sprecher der FDP, stellte fest, dass erstaunlicherweise keine Vertreter der Umweltschutzverbände zu dieser Podiumsdiskussion eingeladen worden seien. Er sah es daher als seine Aufgabe an, diese Position auf dem Podium mit zu vertreten.
Wenn der Regenwald von Borneo brandgerodet wird, um darauf Palmöl anzubauen, hat man CO2 Emissionen, die denen der gesamten Welt in einem Jahr entsprächen.
Zwar sei auch seiner Meinung nach, die Nahrungsmittelkonkurrenz der Biokraftstoffproduktion nicht so gravierend, jedoch die Umweltverträglichkeit gerade bei der Produktion in Südostasien außerordentlich problematisch. Wenn in Indonesien Ackerflächen durch Abholzung des Regenwaldes gewonnen würden oder gar durch Brandrodung, wie in Malaysia, so müsse man in den Industrieländern schon sehr lange mit Biokraftstoff fahren, um den dadurch entstandenen CO2-Ausstoß, wieder auszugleichen. „Zum jetzigen Zeitpunkt ist ein Zertifikat, das aus Indonesien kommt, nichts wert.“, so Kauch. Dringend erforderlich ist daher die Einführung einer verlässlichen Zertifizierung für die Umweltverträglichkeit von Biokraftstoff. Unter anderem müsse dazu die Beweislast umgekehrt werden, d.h. die Unternehmen in Indonesien müssten nachweisen, dass sie keine Flächen gerodet haben, ebenso müsse es unangemeldete Kontrollen geben. Solange dies nicht sichergestellt sei, könne man unmöglich per Gesetz den Anteil der Beimischung von Biosprit zum Benzin so deutlich erhöhen, wie dies die Koalition im Bundestag gegenwärtig vorhabe. Anstatt eine feste Beimischungsquote für den Kraftstoff einzuführen, sollte man vielmehr wieder zu Steuererleichterungen zurückkehren. Zudem sei es wahrscheinlich leichter, zunächst einmal den Stromsektor von fossilen Energiequellen zu befreien und dann erst den Kraftstoffbereich. Nach Auskunft des Automobilherstellers Ford wird man auch in 20 Jahren noch mit Benzin und Diesel fahren. Staatliche Kontrolle sei wichtig, man muss ordnungsrechtlich eingreifen können, um einen Import von Biosprit aus den Ländern, die sich nicht an umweltverträgliche Produktionsmethoden halten, zu verhindern. Wenn der Regenwald von Borneo brandgerodet wird, um darauf Palmöl anzubauen, hat man CO2 Emissionen, die denen der gesamten Welt in einem Jahr entsprächen.
Helmut Lamp, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes Bioenergie, hob hervor, dass die Importe an Palmöl in Deutschland nur zu fünf Prozent für den Tank gebraucht würden, der überwiegende Teil hingegen gehe in die Produktion von Margarine und Kosmetikprodukten. Ein weiterer großer Teil wird für in Heizkraftwerken verwendet. 45 Prozent der regenerativen Energie geht in den Wärmebereich, allen voran Holz. Außer in der südlichen Lüneburger Heide und in Nordbayern gibt es in Deutschland keine Flächenkonkurrenz von Nahrungsmitteln und Biokraftstoff, so Lamp. Er berichtete von seinen Erfahrungen als Landwirt in Schleswig-Holstein, wo es als er vor 30 Jahren angefangen habe, schon gut war, einen Ertrag von 20 Doppelzentner Weizen pro Hektar zu erwirtschaften, heutzutage können durch den Einsatz von Düngemittel und besserer Pflugtechnik 100 Doppelzentner erzeugt werden.
Frau Heinen plädierte dafür, dass die Nachhaltigkeitsverordnung nicht nur für Biokraftstoffe sondern für die gesamte agrarwirtschaftliche Produktion gelten müsse. Sehr wichtig sei auch die Weiterentwicklung der grünen Gentechnik, um die Effizienz des Anbaus von Pflanzen für erneuerbare Energie zu verbessern. Angesichts der von BASF gerade am selben Tag bekannt gegeben Entscheidung, sich mit der Forschung zur Gentechnik vollkommen aus Deutschland zurückzuziehen, weil die Bedingungen hierfür in diesem Land zu schlecht seien, äußerte Frau Heinen Unverständnis, da die Bundesregierung doch gerade erst in einem großen Kraftakt, die Möglichkeiten zur Erforschung und zum Einsatz von Gentechnik erheblich erleichtert habe.
Staatssekretärin Heinen meinte abschließend, dass die Erhöhung der Quote auf E 7 und E 10 durch das Biokraftstoffquotengesetz zum Jahre 2012 ein sinnvoller Beitrag zum Umweltschutz sei, da bisher die Einführung des Elektroautos noch an der zu geringen Speicherkapazität der Batterien scheitere, die Reichweite dieser Autos sei einfach zu gering. Das 3-Liter Auto sei ebenfalls nicht am Markt angekommen, wie die fehlende Nachfrage gezeigt habe.
Insgesamt blieben am Ende der Veranstaltung noch einige Fragen offen, die z.T. von Teilnehmern aus dem Publikum vorgetragen wurden. So ist es für die Umwelt nicht unbedingt von Vorteil, wenn wie vorgeschlagen zur intensiven Landwirtschaft zurückgekehrt wird. Der Nobelpreisträger Paul Crutzen hatte kürzlich in einer Studie nachgewiesen, dass bei einem intensiven Einsatz von Düngemitteln die dabei entstehenden Stickstoffoxide die 300fache Treibhauswirkung haben wie dieselbe Menge CO2. Der Treibhauseffekt wird so wieder verstärkt und die Klimabilanz fällt beim Einsatz von Biokraftstoffen nicht unbedingt günstiger aus.
Ferner ist die Landnahme neuer Anbauflächen durch Plantagenbetreiber in den Ländern des Südens (wie Malaysia, Ecuador, Peru, Kamerun und Uganda) und die damit verbundene Vertreibung von Einheimischen äußerst problematisch.
Und nicht zuletzt wird durch die Rückkehr zur intensiven Landwirtschaft die Artenvielfalt bedroht, die großflächige Monokultur von jeweils nur einer Pflanzensorte, die zudem noch häufig gentechnisch getrimmt ist und sich so gegen andere Pflanzen in der Umgebung durchsetzt, ist eine schleichende Einführung der Gentechnik, deren bisher unabsehbare Folgen für die Natur bisher zumindest in Deutschland zu Zurückhaltung geführt hatten.
Selbst wenn die Ausführungen teilweise überzeugten, so konnte doch der Eindruck, dass es sich hier weitgehend um eine PR-Veranstaltung der Biokraftstoff-Lobbyisten handelte, nicht ganz vermieden werden.
Es war schon bemerkenswert, dass kein Vertreter der großen Hilfswerke (wie Caritas international, Brot für die Welt und EED), der Menschenrechtsorganisationen und der Umweltverbände, die ja gerade die Debatte zu diesem Thema Anfang des Jahres angestoßen hatten, auf dem Podium saß. Selbst wenn die Ausführungen teilweise überzeugten, so konnte doch der Eindruck, dass es sich hier weitgehend um eine PR-Veranstaltung der Biokraftstoff-Lobbyisten handelte, nicht ganz vermieden werden.