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12.11.2008

Die Freiheit, es anders zu machen: Mein Leben, meine Werte, mein Denken

Autor/en: Claus Hipp

Mehr Apostel und weniger Schriftgelehrte

von Werner Fuchs
Nun erscheint mitten in der finanziellen und moralischen Krise des Turbokapitalismus sein Buch, in dem nachzulesen ist, wie man auch Gewinne generieren kann, ohne Anstand und Würde zu verlieren.

Claus Hipp trat bei vielen Menschen ins Leben, bevor sie überhaupt Mama oder Papa sagen konnten. Denn Hipp ist der weltweit grösste Produzent von Babynahrung mit Rohstoffen aus dem Bio-Landbau. Nun erscheint mitten in der finanziellen und moralischen Krise des Turbokapitalismus sein Buch, in dem nachzulesen ist, wie man auch Gewinne generieren kann, ohne Anstand und Würde zu verlieren. Selbst wenn einige Passagen durch die Ereignisse nach Abschluss des Manuskripts bereits veraltet wirken, kann die eigentliche Botschaft kaum aktueller sein. Nachhaltig und fair gegenüber anderen Menschen sind nur Unternehmen, die auf Werten beruhen, welche von vielen Managern, Bankern und Politikern als humanistische Schöngeisterei belächelt werden. Aber die Vertreter der Gewinnmaximierung um jeden Preis werden sich durch Claus Hipp nicht so schnell bekehren lassen, zumal er ihnen das Distanzieren leicht macht. Denn obwohl er sein Weltbild mit kurzen Ausflügen in verschiedene Wissenschaften anreichert, folgt er seinem eigenen Aufruf, lieber Apostel als Schriftgelehrter zu sein.

Unternehmer wie Claus Hipp sind mir auch in der Schweiz begegnet. Und wenn sie hören, dass ich einen theologischen Hintergrund haben, kommen wir ebenso auf die zehn Gebote und die vier Kardinaltugenden zu sprechen wie Claus Hipp. Allerdings versuche ich dann, diese Wertesysteme in eine zeitgemässere Sprache und modernere Bilder zu übersetzen, damit sie auch Mitarbeitende, die sich vom Christentum schon lange verabschiedeten, annehmen können. Das gehört zwar ebenfalls zu den Anliegen von Claus Hipp, nur vertraut er offenbar mehr als ich auf die Kraft traditioneller Formulierungen und Geschichten. Dass er damit im persönlichen Gespräch Erfolg hat, bezweifle ich nicht. Aber ein Buch ist nun Mal ein anderes Medium.

Ein Student, der vor zehn Jahren bei Hipps Unternehmen gejobt hatte, brachte den Inhaber offenbar auf die Idee, eine Ethik-Charta zu formulieren. Jeder Mitarbeiter und jeder Partner soll wissen, welche Rechte und Pflichten er hat, was von ihm erwartet wird und was er seinerseits vom Unternehmen erwarten darf. Und wenn es zu Konflikten, Krisen und Konfrontationen kommt, werden die Grundsätze und Gedanken der Charta als verbindliches Wissen vorausgesetzt. Da ich den Alltag im Unternehmen von Claus Hipp nicht kenne, weiss ich natürlich nicht, ob und wie das funktioniert. Denn immerhin umfasst die Charta vierzig Buchseiten. Bestimmt werde ich sie für meine Beratungstätigkeit nicht kopieren. Aber ebenso bestimmt wird mir die Hipp-Charta künftig beim Finden oder Formulieren von Leitbildern und Unternehmensgrundsätzen wertvolle Orientierungspunkte geben.

Mein Fazit: Obwohl Claus Hipp oft ein Vokabular verwendet, das mir etwas fremd geworden ist, hörte ich seinen apostolischen Ausführungen gerne zu. Im Zweifelsfall sind mir gelebte Bekenntnisse lieber als am Schreibtisch oder an Universitäten ausgeheckte Absichtserklärungen und geschliffene Theorien. Meine Bewertung ist denn auch eher als Zeichen für die Wichtigkeit und Verbreitung eines Wertesystems zu verstehen, das in der heutigen Krise als mögliche Orientierung dienen kann. Hoffentlich erkennen die Hipp-Angestellten im Verfasser dieses Buches auch wirklich ihren Chef wieder.