06.08.2001

Im Geflecht der Avantgarde

von Eckhard Fürlus

Hugo Häring in der Berliner Akademie der Künste

Nach umfangreichen Retrospektiven zu Bruno Taut und Hans Scharoun zeigte die Berliner Akademie der Künste in der Reihe "ArchitekturWenden" unter dem Titel "Hugo Häring - Architekt des Neuen Bauens 1882-1958" bis zum 5. August 2001 einen repräsentativen Überblick über Leben und Werk des Architekten Hugo Häring, der als eine Ausnahmeerscheinung unter den Funktionalisten der Zwanziger Jahre gilt.

Hugo Hering steht für den deutschen Sonderweg der Modernen Architektur

Hugo Hering steht für den deutschen Sonderweg der Modernen Architektur; mit seiner Abkehr von den Konventionen bloßer Überlieferung und der Hinwendung zu den Ursprüngen versuchte Häring zu einem wirklich neuen Bauen zu gelangen. Seine Vorstellung von einem "organhaften" Bauen synthetisiert den Biologismus des Jugendstils mit den ästhetischen Traditionen des deutschen Idealismus, des Konstruktivismus und der Neuen Sachlichkeit. Zu seinen wichtigsten Einflüssen gehören El Lissitzky, Naum Gabo, Kasimir Malewitsch, Ewald Mataré, Auguste Rodin und Adolf von Hildebrandt.

1882 als Sohn eines Schreiners in Biberach an der Riß geboren, studierte Hugo Häring Architektur bei Fritz Schumacher, Paul Wallot und Cornelius Gurlitt in Dresden und bei Theodor Fischer an den Technischen Hochschulen Stuttgart, bevor er 1903 das Staatsexamen in Stuttgart ablegte. Bis 1914 war Häring in Hamburg tätig, dort unterrichtete er vorübergehend an der Kunstgewerbeschule. Nach dem Militärdienst von 1914 bis 1915 arbeitete Häring bis 1921 als Architekt und Bauanwalt in Ostpreußen. Er war Mitglied der Novembergruppe und nahm 1924 an der Großen Berliner Architekturausstellung teil.

  • Hugo Häring

1924 gehörte Hugo Häring zu den Mitbegründern der Architektenvereinigung Der Ring, ursprüngl. Zehnerring, einer Gruppe der zehn bedeutendsten Berliner Repräsentanten des Neuen Bauens mit dem Ziel der Verbreitung der neuen Bauauffassungen und der Förderung der Tätigkeit fortschrittlicher Architekten in der Baupraxis. Neben Hugo Häring waren Bruno und Max Taut, Walter Gropius, Hans Poelzig, Erich Mendelsohn, Ludwig Hilberseimer, Otto Bartning, Walter Curt Behrendt und Ludwig Mies van der Rohe die ersten Mitglieder. Hugo Häring avancierte zum Sekretär des Rings und vertrat diesen 1928 bei der Gründung des Congrès Internationaux de l'Architecture Moderne (CIAM). Mit Ernst May und der schweizerischen Gruppe kämpfte Häring gegen den Einfluß Le Corbusiers für eine stärkere Orientierung auf die sozialen Aufgaben der Architektur. Neben Ausstellungen und Bildberichten über die Arbeit seiner Mitglieder veranlaßte Der Ring auch die Anfertigung von Filmen. 1933 wurde diese wichtigste Sezession deutscher Architekten im zwanzigsten Jahrhundert aufgelöst.

1932 nahm Hugo Häring an der Werkbund-Ausstellung in Wien teil. Ab 1935 leitete er die Schule Reimann, die im selben Jahr in Schule Kunst und Werk, Private Schule für Gestaltung umbenannt wird. Ehemalige Bauhaus-Lehrer wie Georg Muche, Walter Peterhans und Joost Schmidt fanden hier eine neue Wirkungsstätte. 1943 zog er in seine Geburtsstadt Biberach an der Riß. Ihm wurde 1950 die Ehrendoktorwürde der Abteilung für Architektur der Technischen Hochschule Stuttgart verliehen, 1953 der Oberschwäbische Kunstpreis. 1955 wurde Hugo Häring ordentliches Mitglied der Akademie der Künste Berlin. Drei Jahre später verstarb Häring in Göppingen.

Zu den bekanntesten und herausragenden Wohnungsbauten Hugo Härings gehören die Zeilenbauten in Berlin-Zehlendorf von 1926/27 und die Wohnungsblöcke in der "Ring"-Siedlung in Siemensstadt in Berlin-Charlottenburg, über die der Architekturhistoriker Adolf Behne schrieb: "Es scheint mir nun ein Verdienst des Architekten Hugo Häring, daß er für seine Zeilen - wiederum in Siemensstadt - einen sehr glücklichen Ausgleich zwischen Intimität und Monumentalität gefunden hat. Seine gestaffelten Zeilen, in ihrer Bewegung, in Material und Farbe ganz im Einklang mit Maß und Größe, wirken mit überzeugender Natürlichkeit und schlagen eine Bresche in die zur Mode werdende Fassaden-Graphik". Derselbe Adolf Behne ist es aber auch, der Hugo Häring vor der Gefahr der Überindividualisierung und der "Neigung der Deutschen zur Natur, das heißt zur Vereinzelung" warnte. Auch wenn ihm eine Hinwendung zur Natur-Esoterik und ein latenter Hang zur Deutschtümelei nachgesagt wird: Häring ist kein Apologet des Solipsismus. Verbindungen zu internationalen Architektenkollegen und ebenso auch zu Künstlern wie Hannah Höch und Kasimir Malewitsch waren für ihn selbstverständlich.

Huro Häring hinterläßt kein umfangreiches, aber ein beachtliches Werk; die Gutsanlage Garkau bei Klingberg in Ostholstein, ausgeführt von Mai 1922 bis Dezember 1928, gilt als sein Hauptwerk. In der Retrospektive, die vor allem die Position Härings als Theoretiker im Geflecht der Avantgarden des 20. Jahrhunderts unterstreichen will, sind zum ersten Mal die aufwendig restaurierten Nachlaßpapiere Hugo Härings zu sehen, die in der Stiftung der Berliner Akademie der Künste verwahrt werden.

Der 368 Seiten starke Katalog, der zu allen dokumentierten Bauten und Entwürfen auch sämtliche erhaltenen Archivalien und Pläne auflistet, enthält neben zahlreichen ausgewählten Texten und einer Bibliographie der publizierten Schriften Hugo Härings auch ein von Sylvia Claus und Matthias Schirren erstelltes kritisches Werkverzeichnis und ein Geleitwort von Vladimír Slapeta.