24.01.2005

"Von irgendwem für irgendwen"

von Eckhard Fürlus

Ein Gespräch mit dem Popsongwriter Jens Friebe

Was für eine Platte! Mit seinem im April 2004 erschienenen Debüt-Album "Vorher Nachher Bilder" und den darauf enthaltenen elf großartigen Songs hatte Jens Friebe sofort die Musikpresselandschaft begeistern können, egal ob es sich dabei um Szene Hamburg, ME/Sounds, Spex oder taz handelte. Auf dem an die Ravensburger Spiele erinnernden CD-Cover dominieren die Farben Schwarz Rot Gold mit einem freundlich-abwartend dreinblickenden Jens Friebe, umgeben von einer Raupe und fünf Schmetterlingen. Öffnete man die CD, dann überraschte auch die Innenausstattung mit deutschen Farben. Eine schwarze CD. In weißer Schrift stehen die Songtexte auf dem roten Grund der linken Seite. Auf der rechten Hälfte, unter der im durchsichtigen Plastik eingerasteten CD, ist eine in goldene Farben getauchte Großstadtlandschaft zu sehen. Und das will niemand bemerkt haben?

Eckhard Fürlus: Meine erste Frage bezieht sich zwangsläufig auf die CD "Vorher Nachher Bilder". Und zwar auf die Farben ihrer Verpackung. Im Pressetext wird auf den "Neonationalismus unter dem schwarzrotgoldenen Banner der 'Normalisierung'" hingewiesen, für den Autoren wie Martin Walser und Botho Strauß gewöhnlich angeführt werden.

Jens Friebe: Ja, das ist uns natürlich auch aufgefallen mit den schwarzrotgoldenen Farben, und weil wir das nicht wollten, haben wir extra andere Farben hinzugefügt auf dem Cover, und das Gelb dann zu so einem schlammigen, dreckigen Grün abgestuft, so daß dieser Eindruck eigentlich nicht mehr entstehen konnte. Außer dir hat es bis jetzt auch noch keiner gemerkt.

Eckhard Fürlus: Du hast Musikwissenschaft studiert. Entsprechend breit ist das Spektrum Deiner Songs. Wie kam es zu der Entscheidung, Popstar zu werden? Gibt es eine Geschichte dazu?

Einige Stücke haben mich an frühe Alben von Brian Eno erinnert, [...]

Jens Friebe: Musik habe ich schon viel länger gemacht als daß ich Musikwissenschaft studiere. Das war eher anders herum. Die Entscheidung Popstar zu werden stand seit meiner frühen Jugend fest. Das Musikwissenschaftstudium war so etwas wie Zeit zu schinden, damit man den Eltern was erzählen kann und hat auch eigentlich nicht viel mit dem Ziel Musik machen zu tun. Das ist ein geisteswissenschaftliches Studium so wie Germanistik und Anglistik. Ich habe übrigens auch Anglistik und Philosophie studiert. Das hatte eine Überbrückungsfunktion. Musik mache ich schon seit ich Kind bin.

Eckhard Fürlus: Bislang habe ich Dich zweimal auf der Bühne gesehen, jedes Mal allein entweder mit der Gitarre oder stage piano. Am 21. Januar wirst Du im Vorprogramm von Die Sterne aus Hamburg auftreten. Bist Du mitunter auch mit einer Band unterwegs?

Jens Friebe: Ja. Bei Die Sterne habe ich eine Band dabei, und auch wenn ich eine normale Tour habe, hab’ ich eine Band dabei. Das sind eigentlich Ausnahmekonzerte, die außer der Reihe sind, meist in Berlin, wo ich dann mal was alleine mache, aber grundsätzlich mache ich das mit Band.

Eckhard Fürlus: Mit festen Bandmitgliedern?

Jens Friebe: Ja, ich bemühe mich immer darum, daß es feste Bandmitglieder sind, allerdings wechselt das automatisch. Jetzt ist zum Beispiel mein Bassist ausgestiegen, weil der einen festen Job hat. Das war ein alter Freund aus Köln. Das war schwierig mit der Entfernung, und deswegen gruppiere ich immer um, aber je fester man das hinbekommt, desto besser.

Eckhard Fürlus: Einige Stücke haben mich an frühe Alben von Brian Eno erinnert, etwa an Another Green World oder Here Come The Warm Jets. Das Titelstück der CD mag seine Anklänge an Glamrock nicht verleugnen. Welche Einflüsse gab es für Dich als Musiker – als Musiker und Komponist?

Jens Friebe: Ich bin erst einmal erstaunt, daß Brian Eno kommt, weil ich das bisher überhaupt noch nicht gehört habe. Ich habe den Vergleich noch nicht gehört, aber eine Zeit lang durchaus mich für Brian Eno interessiert. Allerdings – meine Lieblingsplatte war damals "Taking Tiger Mountain By Strategy". Und – wahnsinnige Produktionsidee natürlich, auch wahnsinnige Klangästhetik. Ich hatte aber bis jetzt niemals gedacht, daß das in die Nähe meiner Musik zu bringen sei, aber wenn es sich darnach anhört, fühle ich mich erst einmal geschmeichelt, weil das eine angenehme Referenz ist. Ich bin natürlich zu unterschiedlichen Zeiten von allem möglichen beeinflußt. Was deutschsprachige Musik angeht, komme ich eigentlich vom Fun Punk. Die frühen Ärzte und Goldenen Zitronen haben mich, glaube ich, insofern beeinflußt, weil es nicht etwas total Fernliegendes war, deutsch zu singen schon vor die Hamburger Schule, die das sozusagen salonfähig macht. Ich hab’s auch schon gemacht so etwas wie Foyer des Arts. Auf der anderen Seite dies etwas Verstiegene, Seltsame hat mich beeinflußt. Auf der einen Seite diese etwas plakative Fun Punk Sache, auf der anderen Seite so verschrobenes Zeug wie Foyer des Arts hat mich beeinflußt. Und sonst britische Independent Musik, Wedding Present und Gitarrenmusik. Oder anti Pop Sachen wie They Might Be Giants haben mich sehr beeinflußt. Sowas wie später auch Momus.

Eckhard Fürlus: Offenheit und Wärme in den Songs, gebrochene Melancholie – ist das ein Reflex auf den Umzug in die einstige Mauerstadt Berlin?

Jens Friebe: Nein. Das Melancholische, was da ist, was aber auch immer wieder kontrastiert wird durch das Humorvolle, durch das letztendlich Positive, das ist ja nicht so eine durchgehaltene Songwriter Melancholie, die dann so introvertiert wird. Mir ist schon wichtig, daß das so kommunikativ bleibt und so ein tröstendes Element und so ein Aufbruchselement auch. Das ist, glaube ich, wesentlich früher. Die meisten Lieder sind auch nicht in Berlin entstanden, sondern in Köln oder noch früher, teilweise. Der Geist und die Haltung, aus der ich das rausschreibe, das ist die Kölner Clique, mit der ich da rumgezogen bin.

Eckhard Fürlus: Jens Balzer hat Deine Musik den wahren Sound von Berlin genannt. Ein schönes Kompliment. Man kann mit den Songs aber auch gewiß in Leipzig gut leben. Wie steht es mit der Akzeptanz? Wer sind Deine Konzertbesucher?

Jens Friebe: In Leipzig?

Eckhard Fürlus: Generell. In Leipzig und allgemein in Deutschland.

Jens Friebe: Ja, generell ist das in Großstädten ganz gut, und in der Provinz wird’s noch schwierig. Das ist normal, wie es halt bei newcomern so ist. Süddeutschland ist schwierig. München zum Beispiel ist auch schwierig. Aber große Städte, also Frankfurt, Hannover, Berlin, Hamburg, Köln – das geht eigentlich. Aber am schlimmsten auch in Relation zur Stadtgröße ist München. Das ist der Totalausfall. Wenig Publikum, und das wenige, das da ist, ist schlecht.

Eckhard Fürlus: Wenn man euch die Geräte zeigt – der Song spricht von Traumerfahrungen. Die Geräte sind Folterinstrumente ...

Jens Friebe: Ja. Richtig.

Eckhard Fürlus: ... mit denen Freunde zum Verrat gezwungen werden sollen. Wie entstehen Deine Songs, und wie setzt Du das Material um? Also Traum ist eine Möglichkeit.

Jens Friebe: Ja, das ist natürlich kein wirklicher Traum. Das ist natürlich nicht so, daß ich das, was ich da beschreibe, geträumt hab, und dann bin ich aufgewacht und hab’s aufgeschrieben. Da ist schon eine größere artistische Distanz zu den eigenen Erlebnissen, als daß es da immer so wirklich passiert ist. Den Song habe ich an einem Abend in einer Disco getextet. Die Musik gab’s schon vorher. Und dann kommt eine Idee, und es entsteht dann. Ich habe das in einem Rausch in einer Disco geschrieben. Dann muß man sich selber manchmal überlegen, was es genau bedeutet. Für mich war "Geräte" eine etwas resignativere Version oder Antwort auf so einen Song wie "Ich möchte Teil einer Jugendbewegung sein". Und diese harschen Szenarien – das ist natürlich eine Übersteigerung von linken Wunschvorstellungen, daß es den Feind noch so eindeutig gibt und konspirative Albträume.

Eckhard Fürlus: Können wir schon jetzt etwas über das anstehende neue Album erfahren? Wer wird als Musiker mit von der Partie sein?

Jens Friebe: Man kann sagen, daß es auf der einen Seite musikalisch disparater ist, weil es noch mehrere verschiedene Produktionsansätze gibt. Ich produziere das vorteilweise mit Eletromusikern aus Köln, D. Franke, und mit Hermann Hermann habe ich einige Arrangements auch schon gemacht, der ja auch Die Regierung produziert hat. Ein paar Sachen mache ich auch, wo der Hintergrund aus der Groovebox kommt, wo ich dann mit der Gitarre drübergehe. Aber es ist gleichzeitig auch ein bißchen vermischter. Die ersten Teile waren ja entweder reine Elektronicsongs oder reine Bandsongs. Das wird jetzt vermischter sein, und textlich ist es, glaube ich, etwas geschlossener, weil die Songs in der Entstehung näher beieinander liegen. Es geht viel um Katastrophen, Unglück, Rettung, Bergung. Hermann Hermann wird mitspielen, und Tobias Levin wird produzieren.

Die CD Vorher Nachher Bilder von Jens Friebe ist im April 2004 bei ZickZack erschienen. Informationen über Jens Friebe und seinen schönen "Werkstattbericht" findet man unter www.jens-friebe.de.