beuys
17.09.2008

Joseph Beuys: Künstler, Krieger und Schamane: Die Bedeutung von Trauma und Mythos in seinem Werk

Autor/en: Rolf Famulla

Jedes Kunstwerk ist ein Glaubensbekenntnis

von Werner Fuchs
Rolf Famulla deckt tatsächlich auf, was andere Beuys-Biografen verbergen.

Wie wichtig Missverständnisse sein können, zeigte mir wieder einmal dieses Buch. Denn hätten Titel und Untertitel darauf hingedeutet, dass der Autor auf den folgenden 222 Seiten das Heldendenkmal von Joseph Beuys zum Wanken bringt, hätte ich auf die Lektüre wohl verzichtet. Denn ich hatte eigentlich keine Lust, mir ein Bild zerstören zu lassen, das ich ebenso sorgsam pflegte wie die meisten Kunstkritiker. Person und Werk von Joseph Beuys hinterließen zwar immer offen Fragen und Irritationen, aber irgendwie scheute ich mich vor Klärungen. Oder war zu faul dazu. Auch lasse mir Heldenbilder nicht gerne zerstören. Aber dieses Buch zwingt mich, nach einem neuen Zugang zu Beuys zu suchen. Wäre Rolf Famulla geifernd über den Künstler hergefallen, hätte ich mich von seinen Ausführungen leichter distanzieren können. Aber so einfach machte er es seinen Lesern nicht.

Indem Rolf Famulla sich mit einer der herausragendsten Künstlerpersönlichkeiten des letzten Jahrhunderts so intensiv beschäftigt, gibt sein Buch auch Antworten auf grundlegende Fragen künstlerischen Schaffens in der Moderne. Obwohl von Haus aus Publizist, Germanist und Volkswirtschaftler kann der Autor ganz offensichtlich auf ein profundes Wissen in Psychologie und Kunstgeschichte zurückgreifen. Dennoch wünsche ich mir nun, dass sich auch ein Kunstliebhaber aus den Bereichen Psychiatrie oder Neurowissenschaften so akribisch mit Joseph Beuys beschäftigt wie Rolf Famulla. Denn die künstlerische Verarbeitung traumatischer Erlebnisse geht weit über Spezialinteressen hinaus. Wie können wir solche Abwehrstrategien erkennen? Warum folgen wir ihnen so leicht und gerne? Sind seelische Verletzungen auch körperlich bedingt und nachweisbar? Dürfen wir der Kunst tatsächlich den musealen Freiraum gestatten, den wir ihr geben und den sie für sich oft in Anspruch nimmt. Es sind solche Fragen, die Rolf Famulla aufwirft und mir die Korrektur meines Beuysbildes erleichtern.

Mein Fazit: Für einmal könnte ich als Zusammenfassung einfach den Klappentext übernehmen. Denn Rolf Famulla deckt tatsächlich auf, was andere Beuys-Biografen verbergen. Der Sturzkampfflieger im Zweiten Weltkrieg weigerte sich auch in der Nachkriegszeit, seine Identifikation mit der nationalsozialistischen Ideologie genauer anzusehen. Also war er zur Mythenbildung gezwungen. Ein Buch, das irritiert, aufbricht und viel über die menschliche Psyche sagt.