Anita Berber
04.02.2007

Anita Berber - Göttin der Nacht

Autor/en: Lothar Fischer

Der Tanz ins Dunkel

von Eckhard Fürlus

Karl Lagerfeld nannte sie die gewagteste Frau ihrer Zeit, "die ihr kurzes Leben verbrannt hat." In einem Vernehmungsprotokoll des Landgerichts Wien liest man: "Wenn diese Frau tanzt, tanzt sie sich selbst. Es ist nicht ihre Phantasie, sondern ihre eigene innere Wesensart." Und Hans Held schrieb in der Zeitschrift Film-Kurier: "Die Repräsentation einer Generation - Anita Berber: Selten hat eine Frau ihr Leben so zerstört, wie diese von einem Dämon getriebene, gehetzte Tänzerin. Es ist, als ob sie alles, was ein Menschenleben ausmacht, in eine Spanne von zehn, zwölf Jahren bewusst hineingepresst hat." In der edition ebersbach Berlin ist nun ein 216 Seiten starkes Buch über die Tänzerin Anita Berber erschienen. Geschrieben hat es Lothar Fischer, der beste Kenner des Film- und Bühnenstars der 20er Jahre.

Anita Berber wurde 1899 als Tochter des Geigenvirtuosen Felix Berber und der Kabarettsängerin Lucie Berber, geb. Thiem, in Leipzig geboren. Die Eltern lassen sich scheiden, als Anita vier Jahre alt ist. Wegen ihrer Engagements kann die Mutter sich nicht um ihre Tochter kümmern, und Anita zieht mit sieben Jahren zu ihrer Großmutter nach Dresden. In Dresden besucht sie die höhere Töchterschule.

Ihr Körper war so vollkommen, dass ihre Nacktheit nie obszön wirkte.
Leni Riefenstahl

1914 zieht sie zu ihrer Mutter und der Großmutter nach Berlin-Wilmersdorf. In Berlin erhält sie 1915 ersten Schauspiel- und Tanzunterricht und tritt 1916 zum ersten Mal im Blüthner-Saal auf. Zwei Jahre später bestreitet sie erste Solo-Tanzabende und unternimmt eine Reise in die Schweiz, nach Ungarn und Ästerreich. Zurück in Berlin, heiratet sie Eberhard von Nathusius, den sie allerdings drei Jahre später wieder verlässt. 1920 tritt Anita Berber im Kabarett "Schall und Rauch" auf; es folgen internationale Gastspielreisen und Filmverpflichtungen. Ihr Partner und - wie Lothar Fischer schreibt - ihr Verhängnis wird Willy Knobloch, der den Künstlernamen Sebastian Droste annimmt. Das Gastspiel mit Sebastian Droste in Wien, das unter dem Titel "Tänze des Lasters, des Grauens und der Ekstase" stattfindet, führt zu zahlreichen Skandalen. Anita Berber heiratet Sebastian Droste 1923 in Budapest. Als sie nach Berlin zurückkehren, sind beide kokainabhängig. Sebastian Droste verschwindet nach New York, wo er als Korrespondent für die BZ am Mittag arbeitet. Droste stirbt am 27. Juni 1927 im Haus seiner Eltern in Hamburg. Von 1918 bis 1925 tritt Anita Berber in zahlreichen Filmen auf, ihre Partner sind u. a. Hans Albers, Albert Bassermann, Wilhelm Dieterle, Alexander Granach, Emil Jannings, Reinhold Schünzel, Conrad Veidt und Paul Wegener. Entdeckt hatte sie der Regisseur Richard Oswald. Zu ihren bekanntesten Filmen gehören "Das Tagebuch einer Verlorenen" (1918), "Anders als die Andern" (1919), "Unheimliche Geschichten" (1919), "Lucrezia Borgia" (1922) und "Ein Walzer von Strauß" (1925) 1924 heiratet Anita Berber den amerikanischen Tänzer Henri Chatin-Hofmann, der ihr Partner wird bei den Auftritten in "Die Rakete", "Weiße Maus" und "Die Rampe". Ihre Tanzgastspielreisen nach Köln, Düsseldorf, Wiesbaden, Leipzig und Breslau werden von Skandalen begleitet und durch die Verhaftung in Prag jäh unterbrochen. Mit einem neuen Programm "Tänze der Erotik und Ekstase" ist Anita Berber 1926 als erste Nackttänzerin im "Alkazar" in Hamburg zu sehen. 1927 beginnt Anita Berber zusammen mit ihrem Mann eine Tournee, die sie in den Nahen Osten führt. In Damaskus kommt es am 13. Juni 1928 zum Zusammenbruch. Anita Berber erkrankt unheilbar an Tuberkulose; nur durch Geldspenden von Berliner Künstlerfreunden kann sie nach Berlin überführt werden. Hier stirbt sie im Alter von 29 Jahren am 10. November 1928 im Bethanien-Krankenhaus in Berlin-Kreuzberg und wird auf dem Friedhof der St. Thomas Gemeinde in der Hermannstraße beigesetzt.

Anita Berber gehört zu den pflanzenhaften Geschöpfen, die nicht wissen, was sie tun.
Siegfried Geyer

Das Vorwort zu diesem ungewöhnlichen und spannend zu lesenden Buch geht ein auf die Umstände, die zur Auseinandersetzung Fischers mit Anita Berber und ihrer Biographie geführt haben. Das Buch ist in 12 Kapitel gegliedert. Ein Nachwort und ein Anhang mit Anmerkungen, Polizeiprotokollen und einer Zeittafel, ein Verzeichnis der Filme, eine Bibliographie, das Personenregister und eine Danksagung vervollständigen diese großartige Anita-Berber-Biographie, die Lothar Fischer im Unteruntertitel die "Collage eines kurzen Lebens" nennt.
Der Autor der Biographie, Lothar Fischer, wurde 1932 geboren. Fischer studierte Kunstpädagogik in Berlin und in den USA und arbeitete als Schriftsteller und Journalist. Ende der 60er Jahre veröffentlichte er in der Reihe der Rowohlt Bildmonographien eine der ersten Max Ernst Biographien; es folgten Biographien von Otto Dix, George Grosz und Heinrich Zille. Lothar Fischer lebt in Berlin und ist Initiator und Leiter des Anita-Berber-Archivs.

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Interessenten seien auf die folgende Internetseite zum Anita-Berber-Archiv hingewiesen, die weitere Informationen und eine Fotogalerie der Tänzerin und Schauspielerin enthält:
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