Theorie der Unbildung
26.09.2006

Theorie der Unbildung.
Die Irrtümer der Wissensgesellschaft

Autor/en: Konrad P. Liessmann

Eine wichtige Streitschrift

von Werner Fuchs

Wie leicht ich der Versuchung erliege, mich von Worthülsen und Trends verführen zu lassen, wurde mir bei der Lektüre dieser Streitschrift unangenehm bewusst. Zwar bin ich nicht zuletzt deshalb beruflich selbständig, weil sich der Ordnungs- und Regulierungstrieb mit meinen Lebensgeschichten schlecht vereinbaren lässt. Aber wenn ich allzu sehr unter geistiger Einsamkeit leide, mache ich Fremdartiges eben doch mit. In solchen Situationen brauche ich Weckrufe und Unterstützung von unabhängigen Denkern wie Konrad Paul Liessmann einer ist. Ich brauche seine Wut, sein Stirnrunzeln, seine Geschichten, seine fundierten Überlegungen.

Wer im Millionärsspiel gewinnt, weiss nicht mehr als der Durchschnittsbürger. Wissen lässt sich nicht managen. Gleichschaltung der Studienpläne schafft keine neuen Erkenntnisse. PISA, Bologna und der Evaluationswahn erhöhen das intellektuelle Niveau nicht. Reformen um der Reformen willen sind eine gigantische Verschleuderung geistiger und finanzieller Ressourcen. Konrad Paul Liessmann deckt in geschliffener Sprache und mit anteckendem Engagement auf, wie dumm die so genannte Wissensgesellschaft geworden ist, wie sie sich ohne den geringsten Widerstand entmündigen lässt, wie durch rasante Betriebsamkeit Sinnlücken übersprungen werden und wie wir ganz allmählich jegliche Lust am Denken verlieren.

Die Angegriffenen werden es leicht haben, sich durch Rationalisieren zu verteidigen. Denn wie es bei Streitschriften üblich ist, verzichtet auch Konrad Paul Liessmann auf vertuschende Wissenschaftssprache. Sein Begriff von Wahrheit bleibt ebenso unklar wie manches andere. Aber dieser vermeintliche Malus kümmert mich nicht gross. Denn es geht um den Kern der Sache. Und was dieser enthält, ist wichtig genug, um bei der Wertung auf Kleinlichkeiten zu verzichten.

Mein Fazit: Konrad Paul Liessmann wird die gegenwärtige Bildungslandschaft nicht umpflügen können. Aber er gibt all denen gewichtige Argumente in die Hände, die ein untrügliches Gefühl für Fehlentwicklungen haben. Die gehobene Streitkultur des Autors ist das beste Argument für einen Bildungsbegriff, der von den Reformfanatikern nicht einmal wahrgenommen werden. Ein Buch, das ich gerne empfehle und das mir sehr wichtig ist.