24.04.2006

"angenommen"

von Eckhard Fürlus

Fotografien von Nadine Minkwitz in der neuen Kölner Galerie loch 11

Das Utopische ist als unmöglicher Ort definiert,

die Metopie kann realisiert werden als Übergang auf das Ziel hin

bei vorgegebener Invariante der Richtung,

aber stets dem sinngebenden Zufall ausgesetzt.
Rainer E. Zimmermann

Seit dem 21. April 2006 gibt es in der Stadt Köln eine neue private Galerie für junge Kunst. Von Anke Hilbrenner und Jakob Beetz initiiert, wurde sie nach ihrem Standort in der Lochnerstraße loch 11 genannt. Mit der Eröffnungsausstellung "angenommen" präsentiert die Galerie loch 11 die erste Einzelausstellung der Künstlerin und Fotografin Nadine Minkwitz.

Die in der Ausstellung "angenommen" gezeigten Fotografien sind Teil der beiden Werkgruppen "vermutlich" und "beheimatet". Für die erste Ausstellung in der Galerie loch 11 wurden die Fotos von der Künstlerin vor Ort mit dessen Gegebenheiten und Möglichkeiten in einen dramaturgisch höchst spannenden und in sich schlüssigen Zusammenhang gestellt. Zum einen sind dies fünf Aufnahmen in einer Wohnung, auf denen die Künstlerin sich innerhalb eines äußerst reduzierten Ambientes selbst in Szene gesetzt hat, zum anderen sind in dieser Ausstellung neun Fotos zu sehen, die in Hotelzimmer aufgenommen wurden. Dies sind keine Interieurs von kleinen verspielt-verträumten Hotels oder gar individuell gestalteten Hotelzimmern, sondern wir sehen Detailaufnahmen von standardisierten Räumen, Hotelzimmer weltumspannender Hotelketten, wie es sie überall und zu hunderttausenden gibt.

Nadine Minkwitz hat bei ihrer Arbeit für die Werkgruppe "beheimatet" Hotelzimmer ausgesucht, die sie nicht als bloße Orte versteht, sondern als Transit-Orte, offene Räume, Durchgangsstationen, an denen mitunter Dinge passieren, die andernorts nicht geschehen oder nicht ohne weiteres möglich sind. Durch die Entindividualisierung und Standardisierung der Zimmer entfällt jedwede lokale Zuschreibung. Diese Räume können überall sein, an jedem Ort, in jeder großen Stadt, in der es Hotels gibt.

Beide Werkgruppen sind in den Jahren 2003 bis 2005 entstanden, doch bedingt durch die Standardisierung der Zimmer und betont durch die Inszenierung des eigenen Körpers als neutrale Figur und anonymen Platzhalter wird der Eindruck erweckt, als seien alle Fotos an einem einzigen Tag aufgenommen worden.

Nadine Minkwitz hat an der Kunsthochschule für Medien Köln studiert. Ihre in der Galerie loch 11 erstmals in einem größeren Umfang gezeigten Arbeiten stellen Fragen nach der Zugehörigkeit des Individuums in einer Welt zunehmender Globalisierung. Fragen nach der eigenen Identität, nach Verortung und nach Heimat, nach einem selbst gestalteten Zuhause. Diese Fragen stehen für Minkwitz im Zusammenhang mit Vilém Flussers Reflexionen zur voranschreitenden Heimatlosigkeit, genauer: dem Nomadentum als zukünftiger Form des Wohnens. Dieses Thema hat auch der amerikanische Komponist und Schönberg-Schüler John Cage aufgegriffen; ein von ihm überliefertes bekenntnishaftes Diktum lautet: "Wir tragen unser Haus in uns. Das befähigt uns zum Fliegen." Ähnlich heißt es bei Franz Kafka: "Jeder Mensch trägt ein Zimmer in sich; diese Tatsache kann man sogar durch das Gehör nachprüfen."

Nadine Minkwitz versucht in ihrer Arbeit der Frage nach dem Ausloten eigener Grenzen im Verhältnis zum Raum nachzugehen. Inszenierungen ihrer eigenen Person gelten der Frage nach Bezugspunkten. Wo gehöre ich hin? Und wo nicht? Orte, die eigentlich keine sind bzw. ungenutzte freie Orte werden besetzt und in Anspruch genommen.

Das Haus ist Speicher und Gedächtnis. Zugleich ist es beseelt durch denjenigen resp. diejenigen, die darin wohnen. Das Hotel dagegen mit seinen entindividualisierten Gastzimmern ist ausschließlich ein touristisches Unternehmen, ein Beherbergungs- und Bewirtungsbetrieb und bietet eine Unterkunft, in der Gäste gegen Bezahlung untergebracht und verpflegt werden. So sehr die Hotelzimmer suggerieren, ein Zuhause zu sein, verspürt man in ihnen in ihrer Kombination aus Funktionalität und Behaglichkeit vor allem die Anonymität und das Gefühl des Verlassenseins. Der Titel eines Songs von Cpt. Beefheart & His Magic Band drängt sich auf, der als Refrain ständig wiederkehrend das Lied durchzieht: "My head is my only house (unless it rains)".

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Die Ausstellung "angenommen" mit Fotos von Nadine Minkwitz kann jeweils donnerstags ab 20 Uhr in der Galerie loch 11 in der Lochnerstraße 11, 50674 Köln, oder nach telefonischer Vereinbarung mit der Galerieleitung besichtigt werden. Informationen zur Galerie stehen im Internet unter www.loch11.de.