21.12.2000

Brief an José Carlos Mariatequi

von Nils Röller

(José Carlos Mariatequi möchte in Cuzco, der Hauptstadt des untergegangenen Inka-Reichs, eine Medienakademie einrichten)

Ich glaube, dass wir Europäer nur dann eine Zukunft haben, wenn wir unsere Tradition den weltweiten Veränderungen öffnen und diese reflektieren.

Lieber José Carlos, ich möchte Dir nun regelmässig schreiben und Dich auf dem Laufenden halten. Ich bin von Deinem Engagement in Peru beeindruckt. Südamerika ist ein Kontinent des Werdens, der das europäische Selbstverständnis in Frage stellt. Ich glaube, dass wir Europäer nur dann eine Zukunft haben, wenn wir unsere Tradition den weltweiten Veränderungen öffnen und diese reflektieren. Schön wäre es, wenn wir gemeinsam einen Text schreiben könnten. Es ist absurd, dass ich zunächst versuche, über meine Umwelt zu schreiben und Dir Eindrücke und Ereignisse aus meinem Umfeld mitteilen möchte, anstatt Dich sprechen zu lassen. Das führt von der Absicht, gemeinsam zu schreiben, erst einmal fort. Mein Besuch in Peru liegt leider sehr weit zurück, geblieben ist eine abstrakte Aufforderung zu philosophieren. Entschuldige, dass ich dafür eine Fiktion bemühe und nur über Umwege auf die Ausstellungen, Kolloquien, Kunstwerke und Bücher zu sprechen komme, die mich beschäftigen, aber mir hilft die Fiktion bei dem Versuch, kontinuierlich zu testen, was Vermittlung und was Mittel und Medien zur Vermittlung eigentlich sind. Dieser Test ist eine Voraussetzung für einen Dialog, eine sehr europäische Voraussetzung zugegeben.

Ich möchte meine beschränkte Zeit als Chance auffassen und zwar werde ich die Zeit, die ich in der Strassenbahn verbringe, nutzen, um Dir zu schreiben und diese Zwischenzeit als Form akzeptieren, innerhalb derer ich mich ausdrücken kann. Als Leitfaden nehme ich eine schlichte Fiktion und stelle mir einen Kerzenhändler mit beschränkten finanziellen Mitteln vor. Der erste Bericht des Kerzenhändlers ist eine Reaktion auf zwei Videofilme, die ich mir ausgeliehen habe, vielleicht kann ich so auch einen Bogen zur Rezension von Otto Rösslers Flammenschwert skizzieren, die über TUXAMOON gepostet wird.