09.04.2008

MINDSET

von Annegret Kempf

oder wie der Geist des Designs die Werte der Automobilindustrie Richtung Umwelt steuert

Wer trendy ist, setzt auf Öko. Die Opinion-Leaders des 21. Jahrhunderts lassen sich in klimafreundlichen Karosserien nieder. Leichtbauautos sind in. Schnittiges Sportdesign verdrängt kleine City-Autos und urige Familienvans. Und irgendwann könnte alles Mobile an den Akkus aus hiesigen Entwicklungsschmieden hängen, die VW-Chef Winterkorn zufolge, in spätestens zehn Jahren den Batterie-Vorsprung der Japaner eingeholt haben sollen. Dann wäre es nicht mehr so „schlimm“, dass die Ölvorräte auslaufen und Emissionsreduzierungen zur Pflicht werden: Der Wertewandel in der Automobilindustrie und bei den Käufern würde seinen Weg genommen haben.

Nicht einfach ein Elektroauto, nicht einfach ein Hybrid-Auto, ganz anders, weil schlicht „alltagstauglich“

Doch zunächst wendet sich der Blick Richtung Schweiz. Auf eine Haut aus Solarzellen. Die dafür sorgen soll, dass ein außergewöhnliches Auto jeden Tag ein paar Kilometer kosten- und emissionsfrei fahren kann, wenn es von der Sonne günstig bestrahlt wird.

Auf überraschend hohen und schmalen Rädern kommt der Öko-PkW mindset daher, als würde er gleichsam auf Stelzen über die Gipfel der Schweizer Berge steigen wollen, um seine Botschaft von einer Vereinigung verschiedener Antriebskonzepte und Aufsehen erregender Designs mit entschlossenen Schritten in die Welt hinauszutragen.

Nicht einfach ein Elektroauto, nicht einfach ein Hybrid-Auto, ganz anders, weil schlicht „alltagstauglich“, will das eidgenössische Konstrukt sein. Sein „Erfinderstall“ ist die mindset.ag, ein 2007 von der Investment Holding Spirt Avert AG gegründetes Unternehmen für die Entwicklung, Produktion und den Vertrieb eines alternativen Fahrzeugkonzeptes, das in der Nähe von Luzern zuhause ist. Hier kümmern sich während der Entwicklungsphase eigene Ingenieure um Batteriemanagement, Fahrzeugbau und Design. Darüber hinaus sind diverse externe Teams mit der Neukonstruktion beschäftigt.

Straßenstart Ende 2009

Gleich 10 000 Mal soll der mindset, der ganz auf den verbrauchs- und emissionsbewussten Zeitgeist setzt, in seinem ersten Jahr verkauft werden, sobald er Ende 2009 auf den Markt gekommen sein wird, verkündete sein Schöpfer und CEO der mindset.ag, Murat Günak, Anfang 2008 selbstbewusst. Bisher hat der Erfolg dem Star-Designer meist recht gegeben: Egal, ob bei Mercedes-Benz, etwa mit dem SLK, bei PSA oder zuletzt als Chef des Konzern-Designs der Volkswagen AG.
Weniger Glück hatte Lorenzo R. Schmid, Verwaltungsratspräsident der an der Schweizer Börse (SWX) gehandelten Spirt Avert AG, zu der die mindset.ag gehört, Ende der 1990er-Jahre mit dem TWIKE, einem Mischfahrzeug aus Velo und Elektroauto, für das sich Schmid ebenfalls 10 000 pro Jahr verkaufte Fahrzeuge erhoffte. Nach insgesamt 700 zäh abgesetzten TWIKEs stand Schmid vor dem Aus des Öko-Traums.

Vergangenheit. Jetzt geht es um den mindest und sein Erfolgskonzept: So wie einst edle Schnellboote mit geschlossener Kabine in den 1920er-Jahren entwickelt wurden, um mobilitätsbewussten New Yorkern das tägliche Pendeln zwischen den Uferresidenzen in den Hamptons und den Hochhäusern in Manhattan effizienter und schmackhafter zu gestalten, ließ sich der 47jährige Günak eine ästhetische Lawine einfallen, um Outfit-bedachten Berufsfahrern die umweltverträgliche Mobilität zu versüßen. In Anlehnung an die Pendlerboote der USA nennt Günak sein Auto-Kunstwerk „Commuter“, eine Fahrzeug-Generation, die „optimal für die heutigen und künftigen Bedingungen des Alltagverkehrs, nicht nur im urbanen Raum, abgestimmt wurde“.

Für den Herbst 2008 wird der voll funktionstüchtige Prototyp seiner kleinen Prestige-Auto-Revolution, mit der anmutig durchlaufenden Fahrer-/Beifahrer-Bank, erwartet.

  • mindset, ©
  • mindset, ©
  • mindset, ©
  • Klicken Sie auf ein Bild um alle 9 Bilder in voller Grösse zu sehen.

Höhenflug auf überdimensionierten Speichenrädern

Zu den extra schmalen, großen und hinten freilaufenden Speichenrädern gesellen sich beim mindset-eyecatcher, zwischen seinen Kompaktklasse-Dimensionen von 4,20 Metern Länge und einem Radstand von 2,76 Metern, ein überraschend steiler Heckabschluss, eine sich rückwärtig neigende Dachlinie, kurze Karosserieüberhänge und eine wiederum steile Frontscheibe.

Die schmale Schönheit verzichtet mit ihrer 800 Kilogramm leichten Konstruktion auf überflüssigen Energieverbrauch. Aluminium ist auch hier die Zauberformel für Reduzierung. Es wird als tragende Struktur verwendet, also fürs Spaceframe, gekoppelt mit einer Karosserie aus Verbundwerkstoffen. So sind schnell 30 Prozent Last im Vergleich zu einer konventionellen Bauweise gespart.

Besonderes Öko-Kennzeichen des Designstars ist ein „duales Serial-Hybrid-Antriebskonzept“, zu dem ein 95-PS-starker Elektromotor, der in sieben Sekunden auf 100 Stundenkilometer beschleunigt, ebenso wie ein 24-PS-leistender Verbrennungsmotor, der 100 Kilogramm an zusätzlichem Gewicht aufbuckelt, gehören. Das maximale Drehmoment liegt bei 220 Nanometer. Im Elektromodus soll eine innerhalb von zwei Stunden voll geladene Lithium-Ionen-Batterie eine Reichweite von über 100 Kilometern, und damit genug Power für den Stadtverkehr oder für Pendelfahrten, garantieren. Der optionale, kompakte Verbrennungsmotor schaltet sich im Hybrid-Modus zu. Der Elektromotor profitiert von dessen Arbeit im konstant optimalen Drehzahlbereich, weil der konventionelle Antrieb zum Stromgenerator für die Batterieladung wird.

Das Außergewöhnliche am mindset ist, dass sich durch den Range Extender seine Reichweite auf über 800 Kilometer erhöht.

Im Prinzip, null Emissionen

Der Kohlendioxid-Ausstoß des Zwei-plus-zwei-Coupés, dessen Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern elektronisch abgeriegelt ist, richtet sich nach dem eingesetzten Antriebsmodus. Im Elektrobetrieb fährt es gemäß seinem Zero-Emission-Vehicle-Prinzip quasi frei von der Abgabe von Stoffen an die Umwelt, wobei sich unter Zurechnung der Emissionen bei der Stromerzeugung die Gesamtökobilanz auf ein Gramm pro Kilometer erhöht, im Fall von Wasserkraft, bis 55 Gramm pro Kilometer, wenn ein UCTE-Strommix, also aus unbekannten Quellen, verwendet wird. Im Hybrid-Modus schlägt der Emissionswert nach Angaben von mindset mit 14 bis 70 Gramm pro Kilometer zu Buche, je nach Stromquelle.

Alle Power soll verwendet werden: Ein Rückgewinnungs-System sorgt für eine weitere Nutzung der Bremsenergie.

Gesteuert wird die Gesamtentwicklung des Design- und Spar-Stars mindset vom Firmensitz in St. Niklausen aus. Für die Fertigung schwebt Schmid vor, „vom akuten Überkapazitätsproblem der Automobilbranche zu profitieren“, namentlich in Deutschland, Frankreich und Italien. Dabei ist für ihn „die Übernahme einer etablierten Produktionsstätte nicht ausgeschlossen“.

Webseite mindset »