15.04.2007

The Frozen Borderline

von Christian Meyer

Zwei essentielle Alben der Sängerin Nico werden mit der Doppel-CD „The Frozen Borderline“ zusammengefasst

Mit “The Frozen Borderline” werden die beiden außergewöhnlichsten Alben der außergewöhnlichen deutschen Sängerin Nico, die mindestens durch ihre Zusammenarbeit mit The Velvet Underground auch für eine breitere Masse Legenden-Status erreicht hat, wiederveröffentlicht. Die gebürtige Kölnerin verschlug es schon Mit 16 Jahren nach Berlin, wo ihre Karriere als Model begann. Ihre nächste Station war Paris, wo sie nicht nur als Model sehr erfolgreich arbeitete, sondern u.a. auch zu ihrem Auftritt in Fellinis „La dolce vita“ kam. Anfang der 60er Jahre kam sie schließlich nach New York und landete in Andy Warhols „Factory“. Dort brachte Warhol sie mit Velvet Underground zusammen – der Rest ist Geschichte und führte zu dem legendären 'Bananen'-Album von VU.

Ihre beiden Alben “The Marble Index” (1968) und “Desertshore” (1970) sind allerdings nicht minder legendär als ihr Gastspiel bei VU. Der Musikkritiker Lester Bangs hat Ende der 70er Jahre einen sehr guten Artikel zu “The Marble Index” “Ein Versuch, vor Nico keinen Horror zu kriegen” genannt (das war natürlich lange vor Scott Walkers letztjährigem Koloss “The Drift”, bei dem der Versuch sicherlich scheitern würde…), und damit beileibe nicht nur das düstere Cover meinte.

Die von John Cale produzierte und abgesehen von Nicos Harmonium komplett von ihm intrumentierte Platte melancholisch zu nennen wäre ein Euphemismus, depressiv und verzweifelt trifft es eher. Eine angsterfüllte, frostige Atmosphäre bestimmt das Album, und doch erwartet den Hörer hier eine kaum fassbare Schönheit - eine tödliche Schönheit vielleicht. Nicos Harmonium und ihr steifer Gesang versuchen verzweifelt, sich durch die zerrissenen, dunkel dräuenden Klangschichten von Cale zu bahnen. Zum heulen traurig ist “Aris Song”, eine Ode an ihren und Alain Delons Sohn.
In “Le petit chevalier” auf “Desertshore” singt Ari sogar selbst. “Desertshore” greift die Verbindung von mittelalterlicher Stimmung und neutönerischer Komposition auf und enthält mit “Mütterlein” und “Abschied” auch zwei in deutsch gesungene Lieder.

Die beiden absolut außergewöhnliche Platten, die in der gesamten Musikgeschichte ihres Gleichen suchen, werden ergänzt durch vier Outtakes von Marble Index (”Nibelungen”, “Sagen die Gelehrten”. “Reve Révellier” und “Roses in the Snow” - zwei davon bislang unveröffentlicht, “Nibelungen” erstmals in der instrumentierten Version) 14 alternative Versionen bzw. Demotracks der Albumstücke (eine als hidden Track auf “Desertshore”). Ein schönes Booklet mit dem Original-Artwork und guten Linernotes runden diese tolle Veröffentlichung ab.