jazzwerkstatt
05.03.2007

„Viertel?“ – „Oder?“ – „Ja.“

von Eckhard Fürlus

Ein Konzertabend des Fördervereins jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg e.V.

Seit kurzer Zeit gibt es in Berlin einen überaus rührigen Förderverein jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg und ein dazugehöriges Label, dessen Ziel es ist, Musiker des zeitgenössischen Jazz in Berlin und Brandenburg zu unterstützen und ihnen eine Plattform zu bieten. Gründer des Fördervereins ist der Geschäftsmann, Musikliebhaber und Konzertorganisator Ulli Blobel aus Wuppertal.

[...] die den kleinen Ort in der DDR von 1973 bis 1982 zum Zentrum des avantgardistischen Jazz werden ließ.

Geboren in Peitz in der Nähe von Cottbus, rief Ulli Blobel 1973 zusammen mit Peter Metag eine Konzertreihe ins Leben, die den kleinen Ort in der DDR von 1973 bis 1982 zum Zentrum des avantgardistischen Jazz werden ließ. Zu den Höhepunkten der Veranstaltungen in Peitz dürfe der Auftritt des Londoner Jazz Composers Orchestra zählen, deren Auftritt von der Britischen Botschaft unterstützt wurde. Mit der Gründung des Fördervereins jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg e.V. will Blobel an diese Veranstaltungsreihe anknüpfen. Bereits im vergangenen Jahr fand das erste Konzert in der wieder erwachten Reihe jazzwerkstatt im Kammermusiksaal der Philharmonie in Berlin statt. Es spielten das Peter Brötzmann Trio, das Friedhelm Schönfeld Trio und das Ernst-Ludwig Petrowski Trio. Das zweite Konzert des Fördervereins jazzwerkstatt stand unter dem Motto „Made in Berlin“. Eingeladen hatten dazu Uwe Kropinski (Gitarre), David Friesen (Bass), Dave Liebman (Saxofon, Flöte) und Conny Bauer (Posaune). Am 8. Dezember 2006 und am 19. Januar 2007 fanden die ersten beiden Konzerte der Reihe jazzwerkstatt nachtfoyer im Foyer des Hans Otto Theaters in Potsdam statt.

Einige dieser Konzerte sind den großen Musikern der Geschichte des Jazz - John Coltrane, Charles Mingus, Thelonious Monk oder Fats Waller - gewidmet. Sämtliche Konzerte wurden und werden vom rbb Kulturradio mitgeschnitten und auf dem CD-Label jazzwerkstatt veröffentlicht, so die Aufnahmen des Peter Brötzmann Chicago Tentets, von der Ulrich Gumpert Workshop Band, den Joe Sachse Duos, von Uwe Kropinski und David Friesen, von Uschi Brüning mit Ernst-Ludwig Petrowski. Hier erschien die CD „When We Make Love“, die von der Sängerin und Pianistin Axinia Schönfeld zusammen mit ihrem Vater Friedhelm Schönfeld eingespielt wurde, aber auch re-releases, so z. B. das legendäre Album „Last Exit“ von Bill Laswell und Peter Brötzmann oder das „Songbook“ von Phil Minton und Veryan Weston.

„The Art Of The Duo“ war das Motto der jazzwerkstatt Nr. 3 im Kammermusiksaal der Philharmonie am 15. Februar 2007. Ulli Blobel führte ein in den Abend und stellte fest, daß trotz der in dieser Woche stattfindenden Berlinale sich viele Gäste zu diesem Konzertereignis eingefunden hatten. Für den erkrankten Alexander von Schlippenbach war Rudi Mahall (Baßklarinette) eingesprungen, so daß statt des angekündigten Two Piano Duo nun ein meisterhaftes Zusammenspiel von Klavier und Baßklarinette zu hören war. Schnell war man sich auf der Bühne über die Modalitäten einig: „Viertel?“ – „Oder?“ – „Ja.“

„Helter Skelter – Beatles forever“ nannten Joe Sachse (Gitarre) und Ernst Bier (Schlagzeug) ihre Interpretation resp. Transformation von Beatles-Songs. In dieser Weise, hieß es, haben sie schon immer die Musik der Beatles spielen wollen, und der Titel aus dem „White Album“ der Beatles ließ bereits vermuten, in welche Richtung es gehen sollte. „She’s Leaving Home“ eröffnete den Song-Zyklus; es folgten Bearbeitungen von u. a. „Helter Skelter“, „Get Back“, ein perkussiv angelegtes „Here Comes The Sun“, „I’m The Walrus“, „Girl“, „Michelle“, „Eleanor Rigby“, ferner ein Medley mit „Lady Madonna“, „Because“ und „I Want You“, und längst nicht alle, die sich zu diesem Abend eingefunden hatten, waren mit den zumeist rauhen Interpretationen einverstanden. Zur Zugabe – „Yesterday“ – setzten sich Joe Sachse und Ernst Bier an den Bühnenrand; Sachse spielte seine halbakustische Gitarre unverstärkt, und Ernst Bier rührte mit Jazz Besen auf dem Boden des Podiums des Kammermusiksaals.

Nach der Pause bestritten Joachim Kühn (Klavier und Saxofon) und Louis Sclavis (Klarinette und Saxofon) den zweiten Teil des Konzerts. Der in Leipzig geborene Pianist Joachim Kühn ist zur Zeit „resident musician“ in Essen. Dort war er noch tags zuvor – am Valentinstag – mit Ornette Coleman seiner Band bei dessen einzigem Konzert in Deutschland aufgetreten. Kühn hat sich intensiv mit der Musik Johann Sebastian Bachs auseinandergesetzt und unter anderem mit dem Oud-Virtuosen Rabih Abou-Khalil und dem marokkanischen Guembri-Spieler musiziert. Das von ihm entwickelte musikalische System nennt er „The Diminished Augmented System“. Bert Noglik hat es als ein „Medium für die unverstellte, die vorbehaltlose Mitteilung, als Weg der Verknüpfung von strukturellem Denken und spontanem Gestalten“ beschrieben. Die Stücke, die er zusammen mit Louis Sclavis spielte, waren mehrheitlich so strukturiert, daß beide beginnen und die Soloparts in der Mitte von Joachim Kühn bestritten wurden. Nur einmal hörte man Sclavis allein spielen. Nur einmal spielte Joachim Kühn Saxofon an diesem wunderbaren Abend.



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Wer Näheres über die Geschichte und die Arbeit des Fördervereins jazzwerkstatt Berlin-Brandenburg e. V. erfahren möchte, sei auf die folgende Internetseite hingewiesen:
www.jazzwerkstatt-berlin-brandenburg.de.