04.03.2007

Wir orientieren uns sehr wenig an Rock-Musik

von Eckhard Fürlus, Enno Schierenberg

Die Zimmermänner Timo Blunck und Detlef Diederichsen im Gespräch

Zum Interviewtermin kam ich viel zu spät. Der Polizeieinsatz auf der U7 hatte mich in Verzug gebracht. Ich war ziemlich nervös und bog in die falsche Straße ein. So blieben für das eigentliche Interview mit Detlef „Ewald“ Diederichsen und Timo Blunck nur noch 25 Minuten, in denen wir das Christiane Paul Video sahen und alle Fragen, auch diejenigen, die Enno mir mit auf den Weg gegeben hatte, durchsprechen konnten. Dabei wollte ich zehn Minuten vor dem vereinbarten Termin in Detlefs Büro sein. Schließlich mache ich nicht jeden Tag ein Interview mit meiner Lieblingsband.

Eckhard Fürlus: In der aktuellen Szene Hamburg konnte man es schon lesen: eine neue CD nach über 20 Jahren. Warum jetzt? Die optimalen Bedingungen mit dem Studio werden es nicht allein gewesen sein.

Detlef Diederichsen: Zufall. Zufall würde ich sagen in erster Linie. 99 haben wir angefangen, neue Musik zu produzieren zusammen mit Christoph Kaiser als Produzenten. Das war zum ersten Mal so eine richtig gezielte Zusammenarbeit mit einem externen Produzenten, wo wir auch gesagt haben: Mach’ du mal. Mach’ du es mal so, wie du es für richtig hältst. Es gibt ein paar Eckpunkte. Wir haben die Songs; die haben bestimmte Akkorde, eine bestimmte Melodie, einen bestimmten Text, und ansonsten mach’ du mal. Das war 99. Da gab es dann vier Songs am Ende. Dann passierte erst einmal gar nichts.
Damals war die Idee: Wir bringen 2000 eine Platte heraus zum 20jährigen Zimmermänner Jubiläum. Und überhaupt das Jahr 2000, bla bla bla. Es ist nicht dazu gekommen. Jahre später kam es dann dazu, als wir eigentlich schon mit dem Thema abgeschlossen hatten und jetzt diese Box vorbereiten wollten mit dem Gesamtwerk der Zimmermänner und den ganzen outtakes usw. und wir Alfred [Hilsberg] ins Boot dafür bekamen und er das rausbringen wollte. Als er dann diese neuen Songs hörte, meinte er: Das ist ja super, und vielleicht sollte man das erstmal vorab rausbringen oder sowas als EP. Und da dachten wir: Nee, nee, nee, nee. Also wenn schon, denn schon. Dann machen wir ein ganzes Album. Und so geschah es.

Eckhard Fürlus: Aber damit ist die Idee einer CD mit den alten Songs nicht vom Tisch.

  • Die Zimmermänner

Timo Blunck: Nein. Das wollen wir nach wie vor machen. Das scheitert noch an rechtlichen Problemen, die wir mit Atatak haben. Wir haben mit Alfred da kein Problem. Dann haben wir noch jede Menge alte Demos, Live-Aufnahmen, die wir gerne da draufbringen würden. Natürlich die erste LP, „Zurück in der Zirkulation“, und auch „Anja“ und so. Aber, wie gesagt, „Goethe“, das ist noch unser Problem.

Eckhard Fürlus: Es war bei euch nie ein Geheimnis, was es mit neuen Songs auf sich hatte. Die konnte man schon in den Konzerten hören, und – anders als z. B. bei Blumfeld, die damit immer hinterm Berge gehalten hatten – das fand ich sehr souverän, so daß man gespannter Erwartung war, wie denn „Paderborn“ in einer Studiofassung klingen würde. Mir hat die Live-Version in der Markthalle anläßlich eines Silvesterkonzerts sehr gut gefallen, als alle Bandmitglieder mit den „Paderborn“ T-shirts auf die Bühne kamen. – Ihr knüpft an an die erste LP mit dem Cover von „Fortpflanzungssupermarkt“?

Detlef Diederichsen: Nicht bewußt.

Timo Blunck: Wie du eben schon gesehen hast in unserem Video, fangen wir an mit einer Reminiszenz an eine Szene von „Goethe“ mit der Telefonzelle. Das war auch ein Zufall. Daß wir da auf der Bank sitzen, das ist uns in dem Moment nicht bewußt gewesen.

Detlef Diederichsen: Wir hatten eine riesige Fotosession, in der ganz viele Bilder gemacht wurden. Das Bild haben nicht wir für’s Cover ausgewählt; das hat unser Grafiker gemacht. Das knüpft dann aber insofern an die erste Platte an, als es derselbe Grafiker ist. Auf dem ersten Cover war es an der Alster, hier ist es ein Berliner Vorort.

Timo Blunck: Das paßt einfach zur Zimmermänner-Welt. Wir müssen natürlich auch aufpassen, daß wir uns jetzt nicht in hautengen Klamotten und mit supermoderner Grafik behaftet ...

Detlef Diederichsen: Wobei ... – ich hätte dich schon ganz gern in hautengen Klamotten gesehen.

Timo Blunck: Ja, ich weiß. Das kannst du nachher noch sehen. – Wir müssen ja irgendwie schon im Bild bleiben. Wir müssen ja Zimmermänner bleiben, und so sind wir eben. So ist das damals gelaufen mit dem Cover, und das ist heute wieder so gelaufen. Das muß wohl etwas mit uns zu tun haben, mit unserem Umfeld, mit den Leuten, mit denen wir zusammenarbeiten. Die Zimmermänner sind ja sowieso mehr in der Wirklichkeit verhaftet. Die sind eben nicht in dem Sinne eine glamouröse Show-Band. Deshalb paßt auch dieses Cover. Das ist wie ein Album. Wie ein Fotoalbum. So soll es auch sein.

Eckhard Fürlus: Es macht ja auch Spaß, zu blättern. – In der Kombination Detlef Diederichsen / Timo Blunck habe ich immer auch eine Parallele gesehen zu Walter Becker und Donald Fagen. Ist das völlig falsch?

Detlef Diederichsen: Das finde ich ganz gut.

Timo Blunck: Es ehrt uns.

Detlef Diederichsen: Davon mal abgesehen – aber ich denke, es ist bei uns tatsächlich so Fagen-Becker-mäßig; es ist auch ein bißchen Lennon/McCartney, denn Lennon/McCartney ist für mich immer diese Situation der Konkurrenz. Da sind zwei Songschreiber, die haben besonders am Anfang viel zusammen gemacht, aber vor allem haben sie auch immer um die Wette geschrieben. Das haben wir früher auch eher gemacht, und bei Fagen/Becker war es immer so: Der eine hat eine Idee, und der andere hat auch eine Idee, und das baut aufeinander auf, und da wird auch sehr viel gefightet um einzelne Zeilen oder so etwas. Aber am Ende ist das ein Weltbild und ein Ding. Da ist es definitiv nicht so: Becker schreibt die einen Songs, und Fagen schreibt die anderen Songs, sondern da wird wirklich zusammengearbeitet. Nun zeichnet bei uns jeder für sich verantwortlich für die Songs, und so gesehen ist es eher die Lennon/McCartney Schule, aber dieses gemeinsame Feilen daran und dieses gemeinsame Ziel hat eher Verwandtschaft mit dem Steely Dan Prinzip als mit dem Beatles Prinzip, wobei noch hinzu kommt, daß wir tatsächlich ein arbeitendes Duo als Band sind, daß wir uns der Musiker entledigt haben, nicht ganz so gezielt, wie das bei Steely Dan der Fall war. Auf der anderen Seite: Ich hätte auch gern die Musiker, die auf der ersten Steely Dan Platte gespielt hatten. Damit wäre ich absolut zufrieden als Band. Aber egal, sie waren es nicht. Und jetzt sind Fagen und Becker übrig, und es ist ganz klar, das ist trotzdem Steely Dan. Und keiner sagt: Da ist ja Jim Hodder nicht mehr dabei.

Timo Blunck: Jedenfalls wir tun es, wir greifen auch in die Songs ein, so daß er sagt: Das kannst du nicht machen. Diese Zeile kannst du da nicht reinpacken, und dann denk’ dir noch mal etwas anderes aus. Oder ich schlage ihm vor: Versuch’ doch mal hier an dieser Stelle nicht nur ein Instrumentalteil zu nehmen, sondern laß’ uns mal singen oder ein Bläserteil hier rein machen. Ursprünglich ist es so gewesen, daß ich ganz bestimmt viel von ihm gelernt hab, weil er ursprünglich eigenständigere Songs geschrieben hat und ich doch mehr verhaftet war im Covern. Mittlerweile ist es so, daß er wiederum von mir lernt, was Arrangements angeht, weil ich kontinuierlich Musik produziert habe. Also auch da beeinflussen wir uns gegenseitig und sind nach wie vor als Duo bestimmt besser als einzeln. Und das ist, glaube ich, auch wiederum typisch Fagen und Becker ...

Detlef Diederichsen: Ja.

Timo Blunck: ... weil die einzeln ja auch nicht so gut sind wie zusammen.

Enno Schierenberg: Der Autor in der Szene HH schreibt meines Erachtens zutreffend über die Ur- Zimmermänner der 80er "federleichter Pop zwischen Dada und Alltagsweisheiten". Wie findet ihr diese Formulierung?

Detlef Diederichsen: Zwischen was?

Eckhard Fürlus: Federleichter Pop zwischen Dada und Alltagsweisheiten.

Detlef Diederichsen: Es klingt so, als hätte man es damals geschrieben. Das Wort Dada – mit Dada hatten wir nicht wirklich etwas zu tun. Dada wurde ja damals gern als Platzhalter für unverständliche Texte gesehen. Ich weiß noch, Holger Hiller ...

Timo Blunck: Na ja, Schaumburg. Die wurden immer als Dadaisten bezeichnet. Zumal Holger Hiller immer Kurt Schwitters zitierte.

Detlef Diederichsen: Irgendwann fingen alle möglichen Leute an, Parallelen aneinander zu batzen und irgendeinen Quatsch zu texten, einfach so aus Mangel an konkreteren Ideen und sich darauf herauszureden: Na ja, ist halt Dada, nicht wahr, eh, Dada. Deshalb bin ich da immer ein wenig skeptisch. An sich haben wir mit Dada nichts zu tun. Da kennen wir uns nicht aus. Das ist nicht unsere Welt. Das haben wir auch nie versucht. Das als Einschränkung.

Enno Schierenberg: Was macht einen guten Zimmermänner-Song aus?

Timo Blunck: Zunächst mal ein guter Text, würde ich sagen. Ich schreibe definitv mehr Musik als ich Texte schreibe, und komischerweise – wenn ich deutsch texte, kommt dabei eigentlich immer ein Zimmermänner-Song raus. Wenn ich Musik schreibe, kann das alles mögliche sein, da ich ja auch sehr viel Musik schreibe als Auftragskomponist. Musikalisch? Was macht das Musikalische aus?

Detlef Diederichsen: Könnte ich jetzt gar nicht sagen. Da geht sehr viel. Es gibt ein paar Sachen, die das Zimmermänner-Universum charakterisieren. Dazu gehört ja oft der mehrstimmige Gesang oder auch, daß wir zusammen singen in der einen oder anderen Form. Wir haben ja auch unisono-Passagen oder so etwas. Oktavpassagen. Das ist eine charakteristische Sache, aber das ist eher eine Arrangement-Geschichte.

Timo Blunck: Ja. Ich finde, musikalisch bist du auch harmonisch sehr typisch. Als Songschreiber, was natürlich die Hälfte der Zimmermänner ausmacht. Meine Songs sind zwar auch teilweise sehr harmonielastig bzw. basieren auf schönen Kadenzen. Ich kann aber auch mal einen Song schreiben, der sich wie z. B. Paderborn auf einer oder zwei Harmonien ausruht. Grundsätzlich, glaube ich, ist es definitiv ein klares Verständnis von Melodien. Unsere Melodiebögen sind nicht nur pentatonisch. Wir komponieren schon eher klassisch im Pop-Bereich mit Einflüssen von brasilianischer Musik, aber auch von klassischer Pop-Musik, also Beatlelesk, und klassischer Musik. Aber dazu gehören auch Burt Bacharach oder Beach Boys. Da sind wir harmonisch absolut beeinflußt. Wir orientieren uns sehr wenig an Rock-Musik. Die Zimmermänner haben vielleicht hier und da mal ein rockiges Element, aber das wird dann eher eingesetzt als Zitat und dann überhöht und dadurch eher lustig. Grundsätzlich ist es so, daß wir es nicht hinbekommen würden, wirkliche Riff-Rockmusik zu machen, Musik, die basiert auf ...

Detlef Diederichsen: Weil wir es auch nicht ernst nehmen würden.

Timo Blunck: Wir würden es nicht ernst nehmen. Wir haben vorhin gesagt, ein Zimmermänner-Song funktioniert auch zur akustischen Gitarre oder zum Klavier, wenn die Harmonien zu schwierig sind, um sie auf der Gitarre zu spielen. Es sind Songs, und die werden durch uns als Songschreiber bestimmt. Und das macht uns aus. Und ansonsten, wenn du da rangehen willst mit Kategorien, bist du wahrscheinlich ...

Detlef Diederichsen: Also ich denke, musikalisch ist es ziemlich offen, jetzt mal vereinfacht gesprochen, was einen Zimmermänner-Song ausmacht, textlich aber nicht. Da haben wir schon sehr bestimmte Vorstellungen. Da wissen wir beide auch ganz genau, was wir wollen. Timo kann mir sagen, was an einem Song bei mir nicht geht, und das ist in den meisten Fällen Konsens und umgekehrt.

Enno Schierenberg: Warum gehört "Ein Monat im Chefdorf" nicht zu den guten Songs? Diese Frage kann nur Timo beantworten.

Detlef Diederichsen: (lacht).

Timo Blunck: Weil ich den Song einfach nicht mehr gut finde.

Detlef Diederichsen: Der Text war nicht schlecht. (lacht).

Timo Blunck: Ja, aber ich finde das aus mehreren Gründen. Ich habe mir das neulich wieder angehört auf dieser Cassette, Forum Enger, und das ist ein wahnsinnig hohes Geknödel und ein anstrengendes Singen. (Detlef imitiert Timos Gesang). Harmonisch ist es langweilig, und den Text finde ich auch nicht so toll. Ich weiß genau, was ich versucht habe zu machen, textlich. Ich finde viel von meinen alten Sachen nicht gut. Zum Teil sind die auch auf Platte gekommen, und ich bin froh, daß dieser Song nie auf Platte gekommen ist.

Enno Schierenberg: In welchem Umfang sind die neuen Stücke ein Produkt "der Band"?

Timo Blunck: Ja, was ist die Band? Wenn wir beide die Band sind, dann ist die Platte total das Produkt der Band. Aber Band nicht mehr im klassischen Sinne von vier Leute sitzen im Kreis, einer spielt Schlagzeug, einer Gitarre, einer Bass und einer Keyboard, sondern wir beide als Urheber, als Arrangeure, als Programmierer und als Texter kreieren eine Platte, wie man heute eine Platte machen kann mit den modernsten Mitteln der Technik. Eigentlich ist unser drittes Bandmitlied der Computer gewesen ...

Detlef Diederichsen: Und das Programm.

Timo Blunck: Das Programm, seine verschiedenen plug-ins und seine verschiedenen Möglichkeiten. Es ist ja nicht mehr lineare Musik, weißt du. Du kannst ja anfangen, wo du willst. Du machst ja nicht mehr eins-zwei-drei-vier und dann geht’s los und hinten ist Schluß, sondern du setzt hin, was du irgendwo haben willst, und du verschiebst ...

Detlef Diederichsen: Du schneidest irgend etwas davor, sozusagen. Das geht ja alles.

Timo Blunck: Ja. Und im Mix kannst du den ganzen Aufbau des Songs ändern.

Detlef Diederichsen: Aber die Musiker, die beteiligt sind an der Platte, sind nicht wirklich kreativ daran beteiligt gewesen. Das klingt jetzt etwas hart. Die haben wir sehr gezielt eingesetzt. Wir haben uns bei dem und dem ein Arrangement bestellt, weil wir ungefähr wußten, wie der arbeitet, und uns davon etwas versprochen haben. Aber das war sozusagen unsere Entscheidung. Es gibt niemanden, der uns hätte reinreden können. Eine andere Band-Situation: Wir waren eigentlich im Prinzip immer die Chefs, aber als wir zu sechst waren, da haben Leute wie Tom Holert auch schon mal ihre Stimme erhoben und gesagt: Also den Song vielleicht nicht so. Oder: Hier hätte ich noch eine Idee. Und das alles hat diesmal nicht stattgefunden, weil wir im Prinzip die Band zu zweit sind.

Enno Schierenberg: Würden die Stücke auf alleinverantwortlichen Solo-Platten von Timo und Detlef deutlich anders klingen?

Detlef Diederichsen: Auf alleinverantwortlichen Platten – das heißt also, wenn ich das Solo gemacht hätte oder wenn Timo das Solo gemacht hätte? Definitiv. Definitiv. Diese Platte ist quasi der Ausdruck unserer gemeinsamen Position. Ich würde mal sagen, es ist wie in der Mengenlehre. Hier ist meine Position, und da ist Timos Position, und es gibt eine Schnittmenge. Und das sind die Zimmermänner. Und alles, was ich sonst – ich würde vielleicht auch gerne mal eine Free Jazz Platte machen, und Timo würde vielleicht auch gerne – keine Ahnung, was, auch gerne machen ...

Timo Blunck: ... eine Blues-Platte machen.

Detlef Diederichsen: ... genau. Eine Blues-Platte. Das wäre dann seine Party, und die Free Jazz Platte wäre meine Party, aber dazwischen gibt es halt noch diese große „Fortpflanzungssupermarkt“-Party.

Enno Schierenberg: Seht ihr eine Deutsche Band der "Söhne-Generation", die einen ähnlichen Ansatz bei der Popmusik verfolgen wie die 'Zimmermänner'?

Detlef Diederichsen: Nein. Ich finde es ja schon gut, daß es heute wesentlich mehr Pop-Bands in Deutschland gibt, die auch deutsch singen und teilweise interessante Texte haben. Die mußte man ja seinerzeit suchen. Es gab sehr wenig. Es gibt heute eher mehr. Aber ich denke, die Ansätze sind doch sehr verschieden von unseren. Und weder in der Väter-, noch in der Söhne-, noch in irgendeiner anderen Generation ...

Timo Blunck: Enkel-Generation.

Detlef Diederichsen: Es gibt auch da Sachen, denen ich mich näher fühle und die mir fremder sind, aber unter dem Strich bleibt: Die haben doch letztlich eine ganz andere Idee als wir.

Timo Blunck: Ich finde es immer wieder erschreckend, wie langweilig viele der Bands, deren Namen ich nicht nenne, musikalisch klingen, wenn du den Gesang wegdrehst. Das ist ein dröges Geschrammel, das für mich nichts interessantes zu bieten hat. Und wenn man dann nicht extrem auf die Texte steht oder auf den Sänger, dann ist es für mich einfach musikalisch nicht interessant genug. Und das ist etwas wichtiges. Na klar, wir legen sehr großen Wert auf unsere Texte, aber wir gleichzeit legen auch sehr großen Wert auf unsere Songs, also auf die Musik und auf das Arrangement. Wir haben keine Lust, so eine Retro-Gitarrenschrammel-Musik zu machen, sondern wir wollen Musik machen, die eben auch wiederum wiederspiegelt, das, was wir gut finden, das, was wir sind. Und wir finden eben auch Musik von – was weiß ich – Matthew Herbert über Squarepusher ... Wir haben uns nie verschlossen den verschiedenen elektronischen Musikströmungen, die es da gibt. Und ich persönlich finde es einfach langweilig, eine Platte zu machen, wo man nur so – schringel-schrangel – die alten Dinger wieder hört.

Eckhard Fürlus: Das Signum und das Logo Ut aliquid fiat läßt darauf schließen, daß ihr mit der Entwicklung in der gegenwärtigen deutschsprachigen Musik nicht einverstanden seid.

Detlef Diederichsen: Nein.

Timo Blunck: Das geht zu weit.

Detlef Diederichsen: Das hat damit nichts zu tun. Für mich war es eher so – ich weiß gar nicht mehr, wie ich auf die Idee kam, aber ich dachte mir, es spricht für die Zimmermänner, daß es sie seit 1980 schon gibt. Und ich finde, es ist auch kennzeichnend für das, was sie heute machen, daß wir uns nicht gerade erst kennengelernt haben und angefangen haben, Musik zu machen, sondern daß es letztlich statements sind, die über einen größeren Zeitraum Gültigkeit haben. Die Arbeit an dieser Platte hat im Prinzip 1982 begonnen, weil wir da nämlich schon ein oder zwei Songs, die jetzt darauf gelandet sind, geschrieben haben. Und die ganzen Jahre zwischendurch haben wir quasi an dieser Platte auch weitergearbeitet, denn irgendein Song war 1987 fertig, und einer war 1998 fertig. Und dann wurde natürlich immer wieder etwas daran geändert etc. etc. Aber dieser große Zeitraum, der ist, finde ich, charakteristisch für diese Platte und unterscheidet uns denn auch von sehr vielen oder allen anderen vergleichbaren Bands, Bandprojekten, die zur Zeit unterwegs sind.

Timo Blunck: Dieses „damit etwas geschieht“, das, finde ich, ist etwas, das kann man jetzt sagen, das konnten wir aber auch vor 25 Jahren sagen. Das ist ein Motto, zu dem ich nach wie vor stehe. Ich mache ja Musik, damit etwas geschieht, damit mir die Leute zuhören, damit ich ihnen etwas vorspiele, was sie interessiert und was sie noch nicht gehört haben.
Dieses Logo stammt nicht von uns. Dieser Zimmermann, der die Gitarre zersägt, das ist noch nicht einmal auf unserem Mist gewachsen, sondern das hat sich der Titus von Lilien ausgedacht oder Todd Schulz. Aber auf der anderen Seite: Das paßt so zu uns, das ist ja eine dekonstruktivistische Haltung, die wir haben. Klar, wir zersägen die Gitarre und setzen sie unter Umständen neu zusammen. Natürlich werden wir durch dieses Logo auch repräsentiert. Und das sind die drei Komponenten: seit 1980, Ut aliquid fiat, und dann eben dieses Signum selber, die Zeichnung.

Enno Schierenberg: Wenn Xmal Deutschland ein Comeback planten, würde dies von Timo und Ewald unterstützt werden?

Timo Blunck: Absolut.

Detlef Diederichsen: Logistisch.

Timo Blunck: Anja Huwe wollen wir sofort wieder auf der Bühne sehen. Und auch Caro. Und Birthe.

Detlef Diederichsen: Und Fiona.

Timo Blunck: Und Fiona.

Detlef Diederichsen: Fiona taucht ja sogar in „Tiefs“ auf.

Timo Blunck: Fiona taucht in „Tiefs“ auf. Ich habe neulich gerade Anja getroffen; sie ist nach wie vor wunderschön.

Detlef Diederichsen: Sie muß irgendwo in Ottensen wohnen.

Timo Blunck: Ja, ja. Das wäre doch super.