29.11.2006

1001 Alben. Musik, die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist.

von Eckhard Fürlus

Die Edition Olms Zürich veröffentlicht ein Handbuch zur populären Musikgeschichte

Auch wenn man das eine oder andere Album in dieser Reihung vermißt, so ist es auf's Ganze gesehen ein sehr gründliches, solides und umfassendes Nachschlagewerk geworden.

Nach "1001 Filme" von Steven J. Schneider und "1001 Golf Holes" von Jeff Barr hat die Edition Olms nun ein Handbuch in das Verlagsprogramm aufgenommen, in dem auf 960 Seiten "1001 Alben" aus 50 Jahren - Schallplatten resp. CDs - aufgelistet sind, die man in seinem Leben gehört haben sollte. Herausgegeben von dem freien Autor und Redakteur Robert Dimery, enthält es über 800 Abbildungen von Künstlern, Bands und eine kritische Besprechung von deren Alben.

Das Vorwort von Michael Lydon, dem Gründungsherausgeber der Zeitschrift Rolling Stone, ist sehr schön geraten und geht ausführlich auf die Geschichte des Phonographen, der Schallplatte und der CD ein. Eröffnet wird der Reigen der Besprechungen mit einem Album von Frank Sinatra, "In The Wee Small Hours", von 1955, und er schließt 926 Seiten später mit "Get Behind Me Satan" von den White Stripes aus dem Jahr 2005 als letztem besprochenem Album auf Seite 949. Dazwischen liegen in chronologischer Abfolge Meilensteine der Rock- und Popmusik von Little Richard, Joan Baez, Ray Charles, The Byrds, The Who, The Kinks, Cream, Captain Beefheart & His Magic Band, Moby Grape, Blue Cheer, Love, The Incredible String Band, Isaac Hayes über The Band, Van Morrison, Neu, Kraftwerk, David Bowie, The Jam, Ian Dury, Killing Joke, The Cure, U2 und etlichen hundert anderen bis hin zu Beck, Eels, Primal Scream, Prodigy, Badly Drawn Boy, Franz Ferdinand, The Strokes, The Bees, The Hives und Morrissey. Schließlich folgen ein Künstlerindex, Bildnachweise und Danksagungen.

Zu jedem Album gibt es einen kurzen, prägnanten Text. Oft sind dem Text gegenüber die Bandmitglieder der besprochenen Alben auf einem Foto abgebildet, das man so noch nicht gesehen hat; sehr oft ist das Albumcover abgedruckt, mitunter jedoch in einem Farbton, der das Original nicht trifft.

  • Aus 1001 Alben

Willkommen sind Klarstellungen, die z. B. das erste Konzeptalbum der Rockmusik, "S. F. Sorrow" von den Pretty Things (S. 146), betreffen und als Vorläufer von "Tommy" von The Who oder als Vorgriff auf "The Wall" von Pink Floyd ausweisen, ebenso die Darstellung der Bandgeschichte von Blood, Sweat, and Tears (S. 160), die mit dem Hinweis auf Al Koopers Autobiographie "Backstage Passes and Backstabbing Bastards" eine Legenden- oder Mythenbildung verhindert. Nicht verschwiegen werden die Querelen der Band Soft Machine, die auf deren dritten Albumcover auch optisch erfahrbar werden, oder die Begleitumstände des Untergangs der Band New York Dolls. Auf Seite 480 wird der Stellenwert der ersten Gun Club LP "Fire Of Love" vor allen anderen hervorgehoben. Über die Platte "16 Lovers Lane" heißt es sehr richtig auf S. 592, dies sei "der wunderbare Abschied einer grausam übersehenen Band".

Was die Lektüre des Buches zu einem zwiespältigen Vergnügen macht, ist das mangelnde Geschick der Übersetzer und deren bisweilen holperiges Deutsch. Daß die Übersetzer den Titel der Beatles LP "Rubber Soul" mit "Plastikseele" wiedergeben, macht deutlich, daß sie das Wortspiel, das in "Rubber Soul" steckt, nicht begriffen haben. Unnötig ist es auch, die Fab Four als die "fabelhaften Vier" (S. 93) zu übersetzen; ein Satz wie "Der Komponist Joseph Byrd hatte mit John Cage in New York studiert." (S. 143) verfehlt die Tatsachen. Schon der Altersunterschied zwischen dem Avantgarde Komponisten John Cage und Joseph Byrd, dem Mitglied einer der wichtigsten und innovativsten amerikanischen Bands der 60er Jahre namens USA, ist ein Indiz dafür, daß ein "studied with" mit "studierte bei" hätte wiedergegeben werden müssen.

Augenfällig ist die Abnahme der besprochenen Jazz LPs im Verhältnis zu Rock'n'Roll resp. Rock- und Pop-Alben im Verlauf des Buches. Dominierten eingangs noch Duke Ellington und Count Basie zusammen mit Theolonious Monk, Miles Davis, Billie Holiday, Sarah Vaughan, Ella Fitzgerald und Dave Brubeck die Seiten der 50er Jahre, so nimmt die Zahl der Jazz Alben schon im Verlauf der 60er Jahre rasch ab und tendiert ab Mitte des Buches gegen Null. Das ist zu bedauern, denn es gab und gibt weiterhin gute, sehr gute Jazzmusik auf Schallplatte und auf CD.

Angesichts der Anzahl von besprochenen 1001 Alben scheinen Bedenken, hier könne einer Kanonbildung Vorschub geleistet werden, fehl am Platze. Auch wenn man das eine oder andere Album in dieser Reihung vermißt, so ist es auf's Ganze gesehen ein sehr gründliches, solides und umfassendes Nachschlagewerk geworden.




Robert Dimery, 1001 Alben. Musik, die Sie hören sollten, bevor das Leben vorbei ist. Ausgewählt und vorgestellt von 90 internationalen Rezensenten. Mit einem Vorwort von Michael Lydon, Gründungsherausgeber der Zeitschrift Rolling Stone. Übersetzung aus dem Englischen von Michael Göpfert und Alan Tepper.

www.edition-olms.com