26.11.2008

Wann ist das Buch ein Buch?

von Eva Sietzen

Erfindet die Frankfurter Buchmesse das Buch neu?

In der offiziellen, übrigens durchgehend auf englisch verfassten, Pressemappe der Frankfurter Buchmesse fand sich neben den üblichen Eröffnungsreden ein Papier, das die Überschrift trug: ‚A book is an e-book is a computer game is a film is a website’. Da die Autorschaft dieses Textes nirgends angegeben war, wird man davon ausgehen können, dass dieser Text eine offizielle Verlautbarung der Presseabteilung der Frankfurter Buchmesse war. Der Text fährt fort „Frage: „Was ist ein Buch?“ Antwort: „Eine von vielen Möglichkeiten, Inhalte aufzubereiten, in Umlauf zu bringen und zur Diskussion zu stellen. Alternativen, dies zu tun, sind zum Beispiel Webseiten, Datenbanken, Filme, Computerspiele oder Audio-Dateien.“ Dann wäre also Fernsehen auch ein Buch?! Falls man dem Fernsehen Content, also Inhalt, zuschreiben möchte, was ja unlängst von einer, nein zwei bedeutenden Persönlichkeiten des Literaturbetriebs in Frage gestellt wurde.

Nur noch rund 40 Prozent der ausgestellten Waren auf der diesjährigen Buchmesse waren wirklich Bücher, diese handlichen Stapel bedruckten Papieres zwischen zwei Buchdeckeln. Das Hauptgeschäft, das auf der Buchmesse abwickelt wird, ist seit Jahren der Handel mit Lizenzen. Lizenzen für Filme, für Computerspiele and so on.

Davon leben Verlage und Buchhandlungen“ und, nicht zu vergessen, aber Honnefelder vergaß es leider zu erwähnen: die Autoren.

„It’s all about the content“

"Die Frankfurter Buchmesse ist längst eine Messe der Inhalte, rund 42 Prozent der ausgestellten Produkte sind Bücher, rund 30 Prozent digital. Die Digitalisierung erreicht mit der neuen Generation von E-Readern erstmals auch die Publikumsverlage.“ so Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse. Und er erläuterte in seiner Rede auch, warum das so ist: Mit rund 7.400 Aussteller insgesamt bewegte sich die Buchmesse in diesem Jahr in etwa auf dem Niveau des Rekordjahres 2007. 402.284 Titel insgesamt wurden ausgestellt. Es gab einen Zuwachs von 1,4 Prozent an der vermieteten Fläche, bei den angelsächsischen Ausstellern waren es mit 2 Prozent etwas mehr. Demgegenüber zeigte sich die Steigerung der Verwertungsmöglichkeiten für Rechte an z.B. literarischen Vorlagen am deutlichsten daran, dass der ‚Digitale Marktplatz’ seine Fläche um ein Drittel erweiterte und im Literary Agents & Scouts Centre (LitAg), dem Zentrum des Rechte- und Lizenzhandels, mit 510 Agenten 8,2 Prozent mehr vertreten waren als im Vorjahr. Im Forum Film & TV wurden die Rechte für potenzielle Filmstoffe verhandelt. Wie eine Umfrage gezeigt hat, ist das Bedürfnis der internationalen Verlagsbranche nach Vernetzung mit neuen Partnern sehr stark, allen voran mit der Telekommunikationsindustrie, gefolgt von Film, Games und Musik. Gottfried Honnefelder, Vorsteher des Börsenvereins des deutschen Buchhandels, sagte in seiner Eröffnungsrede, "Verlage gewährleisten für Inhalte Permanenz, Selektivität und Öffentlichkeit über den Markt. Indem ein Buch publiziert wird, erhält es einen Werkcharakter, wird aufbereiteter Inhalt, dem Leser zugänglich und öffentlich gemacht. In der Vergangenheit ist dieser Inhalt zwischen zwei Buchdeckeln auf Papier abgedruckt und dann im Buchhandel verkauft worden. Davon leben Verlage und Buchhandlungen“ und, nicht zu vergessen, aber Honnefelder vergaß es leider zu erwähnen: die Autoren.

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Ein Buch ist also ein E-Book ist ein Computerspiel ist ein Film ist eine Website. – Is it, really? – möchte man da erstaunt fragen. Vielleicht doch nicht so ganz, nicht alles, was irgendeinen Content hat, ist schon ein Buch. Es sollte einen nicht nur zufällig erzeugten, sondern plausibel gesetzten Anfang und ein ebensolches Ende haben, es sollte in Worten geschrieben und somit lesbar sein, man sollte es möglichst in die Hand halten und mit ins Bett nehmen können. Und, es sollte sich nicht unter der Hand des Lesers verändern. All das, was einen nachvollziehbaren Anfang und ein Ende hat, kann selbstverständlich auch als E-Book publiziert werden.

Vielleicht führt die Begeisterung also zu einer Neuentdeckung des Lesens.
Die ZEIT

Kindle? – davon geht das Buch nicht unter.

Was hat es nun mit den neuen technisch so stark verbesserten E-Books auf sich, die auf der diesjährigen Buchmesse soviel Aufsehen erregten? Amazons Kindle ist in etwa von der Größe eines herkömmlichen Taschenbuches, ein weißes 300 Gramm schweres Plastikteil, das über zwei große Tasten links und rechts verfügt, um damit das Umblättern zu simulieren. Die so genannte ‚elektronische Tinte’ sorgt auf dem unbeleuchteten Display für ein Lesegefühl, das dem eines gedruckten Buch nahe kommen soll. 200 Bücher fasst der Speicher. Man braucht keinen Internetzugang und keinen Computer, um dieses Lesegerät mit neuem Lesestoff zu füttern. Der Transfer läuft für den Nutzer kostenfrei per Mobilfunk direkt von Amazon, allerdings und das ist entscheidend: ausschließlich im Amazon-eigenen Textformat. Ganz billig ist dieser Reader nicht, 399 US Dollar muss man dafür in den USA bezahlen, wenn er im kommenden Jahr hier eingeführt wird, werden es wohl um die 290 Euro sein. Dafür kann man in einer riesigen Bibliothek von derzeit 185 000 Titeln frei wählen. In den USA war der im vergangenen Jahr auf den Markt gebrachte Kindle schnell vergriffen.

Die ZEIT schreibt: "Vielleicht führt die Begeisterung also zu einer Neuentdeckung des Lesens. Gut möglich, dass Geräte wie das Kindle eine Generation für Poesie und Romane einnehmen, die vor allem vor Bildschirmen aufgewachsen ist."(ZEIT v.16.10.08) Nun also, der Untergang des Buches durch Kindle, – der Berliner muss da unweigerlich an Bier denken, in dem man natürlich gute Literatur auch ersäufen kann, – ist nicht sehr wahrscheinlich. Kindle bedeutet übersetzt ‚entflammen, anzünden’ und das hat dieses kleine weiße Plastik-E-Book auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse durchaus. Der Zündstoff, den es verbreitet, liegt weniger in seiner Plastik-Hässlichkeit, die gepaart ist mit einem ungeheuren Fassungsvermögen, als in den Konsequenzen für die Verlags- und Buchbranche, falls sich dieses Geschäftsmodell auch in Deutschland durchsetzen sollte. Denn die Leistung des Internetbuchhändlers Amazon in den USA war weniger die Kreation eines solchen Lesegerätes, als die dortigen Verlage davon zu überzeugen, ihr Programm über den Kindle-Store zu verkaufen. Ob das hier in Deutschland gelingen wird, bleibt mit Spannung abzuwarten. Denn hier gilt bisher immer noch die für die deutsche Literatur- und Verlagslandschaft durchaus segensreiche Buchpreisbindung. In den USA sind Spitzentitel zu dem Preis von umgerechnet 7 Euro als E-Book erhältlich, dafür bekommt man hier nicht einmal ein Taschenbuch. Es wird heiß diskutiert, ob und wieviel Rabatt auf die digitale Version eines Buches zu geben sei. Da die Kosten für die Herstellung, für Papier und Einband wegfallen, ist der Wunsch des Kunden nach einem günstigeren Preis nachvollziehbar. Der Verleger von Kiepenheuer & Witsch, Helge Malchow, fordert identische Preise für die gedruckte und die elektronische Version eines Buches, bis sich die hohen Kosten für den Aufbau des neuen Marktes amortisiert haben, andere Verlage bieten bereits jetzt E-Books zu deutlich günstigeren Konditionen an.

Nur eines kann man mit ihm nicht:
telefonieren.

Kindles Konkurrenz

Neben dem Kindle machten auf der Buchmesse noch ein paar andere E-Book-Modelle von sich reden, so der mit seinem Metallgehäuse optisch vielleicht etwas gefälligere Sony E-Reader PRS-505. Auch er arbeitet mit elektronischer Tinte und ist wie der Kindle flimmerfrei, kann auch bei Sonnenlicht auf dem Balkon und im Urlaub problemlos genutzt werden und extrem energiesparend. Nur das Umblättern kostet bei E-Ink Strom, und das Lesen im Dunkeln, da braucht man nämlich ganz wie bei einem richtigen Buch eine Lampe. Mit einer Akkuladung kommt der Leser etwa 6800 Seiten weit. Das Display fällt mit 9 x 12 cm etwas kleiner aus als eine bedruckte Taschenbuchseite. Er hat mit seinem eingebauten Speicher von 192 MB Platz für ungefähr 160 Bücher. Im Unterschied zum Kindle kann der Sony Reader auch die Formate PDF, TXT und RTF lesen und natürlich die speziellen E-Book-Formate EPUB und BBeB. Damit ist er in keiner Weise auf einen Anbieter fixiert. Musikhören per Mp3 geht selbstverständlich auch. Nur eines kann man mit ihm nicht: telefonieren. Für dieses Gerät benötigt man im Unterschied zum Kindle einen Computer, die Daten müssen per PC downgeloaded werden und dann via Speicherkarte oder USB auf den E-Reader übertragen. Das, woran Amazon mit Kindle auf dem deutschen Markt bisher noch arbeitet, scheint Sony durch eine Kooperation mit dem Buchgroßhändler Libiri bereits gelungen zu sein. Ab dem Frühjahr 2009 wird der Sony Reader dort erhältlich sein samt einer wahrscheinlich nicht gerade spärlichen Auswahl an deutschen Titeln. Denn Libri konnte große Verlage wie Hanser, Bertelsmann, dtv und Goldmann als Vertragspartner gewinnen. Sie werden Teile ihres Programms - darunter auch Bestseller - als E-Book veröffentlichen. Für die Inhalte erhält jedoch Libri kein Exklusivrecht. Für Traditionalisten soll es den Sony Reader übrigens in einer Luxusvariante geben, zum Aufklappen im Ledereinband!

Auch der Readius von Polymer Vision, kann aufgeklappt, oder besser aufgefaltet werden, denn sein Display besteht aus elektronischem Papier und ist 11,5 x 16 cm groß. Zusammengefaltet hat er dann das Format eines Handys. Und nicht nur das Format, man kann damit auch telefonieren und so via UMTS oder drahtlos per Bluetooth neuen Lesestoff herunterladen. Auf dem Readius kann man Textformate wie PDFs, RSS Feeds und E-Mails lesen und empfangen, zusätzlich gibt es einen USB-Anschluss. Der Akku hält nach Herstellerangaben 30 Lesestunden mit einer Ladung durch.

Der IRex 1000 ist wahrscheinlich das elektronische Highlight, ein Reader für den Profibereich. Er ist deutlich größer als die anderen Modelle, ungefähr so groß wie ein Din-A-4-Block, und ist damit besonders gut geeignet zum Lesen von PDF-Dateien. Das Besondere an ihm ist der Touch-Screen, man kann darauf mit einem Stift Notizen machen, Texte bearbeiten, kürzen, durchstreichen, so wie auf richtigem Papier, anschließend lassen sich die bearbeiteten Seiten wieder auf einen Rechner schieben und ausdrucken oder per E-Mail verschicken.

Die alles entscheidende Frage wird sein, wie in diesen Zeiten des Umbruchs mit dem Urheberrecht umgegangen wird.

Das Urheberrecht oder die Entdeckung neuer Geschäftsmodelle

Die alles entscheidende Frage wird sein, wie in diesen Zeiten des Umbruchs mit dem Urheberrecht umgegangen wird. Das Kindle bringt das Buch als Buch nicht in Gefahr. Es hat auch in der digitalisierten Fassung genau denselben Inhalt, wahrscheinlich sogar das gleiche Druckbild und die gleiche Seitenaufteilung wie seine gedruckte Variante, auch wenn es vielleicht nicht mehr so gut riecht und sich nicht mehr so gut anfühlt. Dass Amazon möglicherweise eine Monopolstellung erwirbt mit seinem Vorstoß, mag schlecht sein. Es ist nie gut, nur von einem einzigen Abnehmer abhängig zu sein. Aber das Buch mit seinem Anfang und seinem Ende, das geistige Eigentum des Verfassers, ist von dieser Entwicklung vorerst nicht bedroht. Anders sieht es dagegen aus, wenn, wie bei Musikdateien, in Zukunft frei downloadbare PDF-Dateien im Netz kursieren, diese dann auf die oben aufgeführten Reader geladen werden können. Sony z.B. verwendet für geschützte Inhalte nicht ihr in den USA eingeführtes eigenes Format BBeB, sondern setzt ganz auf den offenen Standard EPUB. Die meisten der kooperierenden Verlage werden zwar ihre E-Books mit dem digitalem Rechtemanagement (DRM) von Adobe schützen, aber dass das nicht schwer zu knacken sein dürfte, ist vorhersehbar. Dann wird es bald nicht mehr viele Leser geben, die noch bereit sind, für E-Books Geld auszugeben. Es wird wahrscheinlich sein, dass Verlage ihr Angebot erheblich reduzieren oder ganz wegsterben. Autoren können für ihre Arbeit nicht mehr bezahlt werden, der Content schwindet, oder wird denen überlassen, die es sich leisten können und bereit sind, ohne Honorar zu schreiben.

Honnefelder betonte in seiner Eröffnungsrede, es käme für die Verlage darauf an, „sich auf neue Finanzierungs- und damit Verlagsmodelle einzulassen und nicht alleine darauf pochen, dass Inhalte bezahlt werden müssen. Es geht um neue buchgerechte Finanzierungsmodelle, die die Leistung der Verlage auf neue – vielleicht indirekte – Weise entlohnen."

Die Leser sind keine rein passiven Empfänger mehr.

Im Rahmen dieses Projekts wurden seine Leser aufgefordert, das Buch „Die Hexe von Portobello“ für den Film umzuschreiben.

Unter dem Titel ‚Der Schriftsteller als Popstar’ führte der brasilianische Autor Paulo Coelho in seinem Redebeitrag aus, man müsse die digitalen Raubkopien zu einem viralen Marketing nutzen. Er selbst betreibt eine Website, die er ‚The Pirate Coelho’ genannt hat, und auf der die Torrent-Links zu all seinen Büchern zum Herunterladen zusammengestellt sind. 1999 hatte er die Erfahrung gemacht, dass die digitale Raubkopie seines Buches ‚Der Alchemist’ in Russland den Absatz, der dort zunächst sehr schleppend anlief, verzehnfacht hatte. Er konnte später sogar seinen amerikanischen Verleger Harper Collins davon überzeugen, einmal im Monat eines seiner Bücher in ungekürzter Fassung online zu veröffentlichen. Anstatt im Absatz nachzulassen, haben sich die Verkaufszahlen eher noch gesteigert. – Doch das alles war, so sei angemerkt, lange bevor die neuen E-Books mit ihrem deutlich besseren Display auf den Markt gekommen sind.

Die Website ‚The Pirate Coelho’ habe nicht nut den Austausch mit den Lesern belebt und dadurch die Verkaufszahlen seiner gedruckten Bücher verbessert, sondern sie war auch Auslöser für die gemeinsame Arbeit an Projekten wie „The Experimental Witch“. Im Rahmen dieses Projekts wurden seine Leser aufgefordert, das Buch „Die Hexe von Portobello“ für den Film umzuschreiben.

„Die Leser sind keine rein passiven Empfänger mehr. Sie haben die Chance, eine aktivere Rolle zu spielen, und sie wissen, dass sie etwas bewirken können“, so Coelho. Aber auch er gibt zu, dass die Sicherstellung des Urheberrechts und die Zukunftsfähigkeit des Verlagswesens zu den ungelösten Problemen der Digitalisierung des Buches gehören. Er lässt zwar seine Leser am Drehbuch für die Verfilmung seines Buches mitschreiben, würde sich aber dagegen verwahren, wenn seine Bücher von den Lesern kurzerhand umgeschrieben würden, und das Ergebnis dann unter seinem Namen, oder dem eines Lesers, im Netz wieder auftaucht. Die Entmaterialisierung des Buches wird, so steht zu befürchten, den Autoren und Verlagen auf lange Sicht ihre materiellen Lebensgrundlage entziehen. Sobald etwas digitalisiert ist, wir kennen das von der Musik und dem Film, entsteht das Verlangen nach ‚Open Access’ und dem „free flow of information“. Der Content-Klau ist gerade im Internet ausgesprochen beliebt.

Zum Abschluss sei noch einmal der Chef der Frankfurter Buchmesse, Juergen Boos, zitiert: "Im Zentrum des Buchmesse-Netzwerks steht das Werk der Autoren, juristisch ausgedrückt das Ergebnis eines geistigen Prozesses. Die Tatsache, dass die Buchindustrie unter den Kulturindustrien weltweit die stärkste ist, hat viel mit Arbeit zu tun – und auch der Begriff „Werk“ ist abgeleitet aus dem griechischen ergon, was Arbeit bedeutet. Auf die geistige Arbeit der Autoren folgt die Arbeit der Vermittler in der Verwertungskette. Die Aufgabe der Buchmesse als Netzwerker ist es, internationale Standards zu fördern, welche diese geistige Arbeit schützen."

Wenn das gelänge, dann wäre das Buch eben kein Computerspiel, kein Film und auch keine Website. Ein Buch ist nämlich im Unterschied zur Website linear strukturiert. Eine Website dagegen ist mehrdimensional. Ihre Seiten müssen nicht in einer bestimmten Reihenfolge aufgerufen werden, sie hat eigentlich keinen Anfang und kein Ende, und ihr Inhalt kann sich jederzeit ändern. Es gibt jedenfalls keine Gewissheit, dass morgen die Website, die ich heute angeschaut habe, noch die gleichen Inhalte bereitstellt. – Ein Film ist ebenfalls kein Buch, er ist zwar ähnlich linear strukturiert, aber er gibt den Zuschauern die Bilder vor, die beim Lesen eines Buches die schöpferische Phantasie-Leistung eines jeden Lesers ist. Das Buch ist hier offener als der Film. – Ein Buch ist auch kein Computerspiel, denn das Computerspiel hat grafische, z.T. filmische Elemente, die ebenfalls die Vorstellungskraft des Spielers einschränken, und es hat durch seine Interaktivität, eben dadurch, dass man es spielen kann, ein offenes Ende. Selbstverständlich haben Erfinder von Computerspielen, die Designer und Autoren von Webseiten und Regisseure von Filmen genauso wie die Buchautoren ein urheberrechtlich zu schützendes Werk geschaffen, nur eben gerade kein Buch.

Teilweise wird diese Literatur auch gleich mit dem Daumen geschrieben, und sie erscheint ausschließlich in der SMS-Ausgabe.

Lesen und Schreiben im Zeitalter der Digitalisierung

Langfristig wird die Digitalisierung des Buches auch in seiner augenfreundlichen Variante das Lesen und schließlich auch das Schreiben verändern. „Kann man sich vorstellen, dass jemand Adornos „Ästhetische Theorie’ als E-Book studiert?“ fragt sich Gregor Dotzauer in seinem Artikel im Tagesspiegel, und befürchtet, dass die Konzentration mindestens doppelt so schnell erlahmen wird, wie in der physisch realen Variante, die man in der Hand halten und begreifen kann. Das E-Book werde Autoren zu schneller erfassbaren, glatteren, eingängigen Texte aufrufen.

Nun, wer weiß, in Japan jedenfalls scheint Literatur selbst dann nicht unterzugehen, wenn sie unter extrem erschwerten Bedingungen ‚konsumiert’ wird, nämlich auf einem Handy-Display. Wie die FAZ zur Buchmesse berichtete, lesen Japaner sogar Klassiker auf ihrem Handy, – per SMS-Abonnement. Die dortigen Telefonanbieter haben ein breites Angebot in ihrem Programm und nehmen auch junge Schriftsteller unter Vertrag. Nach erfolgter Registrierung bekommt dann der Kunde jeden Tag vier oder fünf Seiten des ausgewählten Romans auf sein Mobiltelefon geschickt. Bezahlt wird per Telefonrechnung. Besonders beliebt sind Liebesgeschichten, junge

Japanerinnen seien regelrecht süchtig nach dieser modernen Form des Fortsetzungsromans. Teilweise wird diese Literatur auch gleich mit dem Daumen geschrieben, und sie erscheint ausschließlich in der SMS-Ausgabe. Selten werden diese Bücher gedruckt. Nur dann wenn die Abo-Nachfrage herausragend hoch ist. So wie bei dem Band „Kirihara Kiriko“, dessen Autorin, Daumenschreiberin, am Ende 60 000 Abonnenten hatte.