Die Zukunft der Intelligenz
18.12.2006

Die Zukunft der Intelligenz

Autor/en: Jeff Hawkins

Gewissheiten und Vermutungen

von Werner Fuchs

Gleich vorweg, das Buch des amerikanischen Computerdesigners und Unternehmers Jeff Hawkins gehört zu meinen Lieblingsbüchern im Bereich Neurologie. Und das hat mehrere Gründe. Allen voran, hier spricht ein besessener und eigenständiger Denker. Jemand, der sich nicht mit Verweisen auf moderne Hirnforschung profilieren will, sondern aus einem inneren Trieb nach übertragbaren Strukturen, Gesetzmässigkeiten und Modellen sucht. Jemand, der sich nicht davor scheut, anerkannte Theorien und allzu bequeme Vereinfachungen in Frage zu stellen. Jemand, der ein untrügliches Gespür für anschauliche Metaphern und überraschende Analogien hat. Kurz: Ein Forscher mit Sinn für das Allgemeine.

Die Grundthese des Autors ist ebenso einfach wie einleuchtend: Die Evolution hat den Neocortex erschaffen, um bessere Voraussagen zu treffen. Das haben zwar andere ebenfalls entdeckt, nur stiess ich bisher auf keinen Autor, der sich so konsequent dafür interessierte, welche allgemein gültigen Strukturen dies ermöglichen. Jeff Hawkins geht bei seiner Spurensuche wohl deshalb so systematisch und hartnäckig vor, weil er die Ergebnisse kommerziell nutzen will. Schliesslich verdient er sein Geld mit Software. Und weil er glaubt, dass die Verfechter der Künstlichen Intelligenz ihre Bandenkriege in einer Sackgasse ausfechten, zog sich Jeff Hawkins wieder auf das freie Feld zurück. Dort stösst er auf Vertreter anderer Wissenschaftsrichtungen, auf Nobelpreisträger ohne lästige egomanische Ticks, auf Künstler und geniale Vereinfacher. Jeff Hawkins sammelt die verstreuten Früchte, vergleicht sie mit denen im eigenen Korb und zieht Schlüsse, die in dieser Klarheit bisher noch kein anderer zu formulieren wagte. Um seine Vermutungen zu wissenschaftlichen Gewissheiten werden zu lassen, gründete Jeff Hawkins das Redwood Neuroscience Institute, wo Forscher verschiedenster Disziplinen den Geheimnissen des menschlichen Gehirns auf die Spur kommen wollen.

Mein Fazit: Jeff Hawkins ist einer jener Brückenbauer, die zuerst für sichere Verankerungen an beiden Flussufern sorgen, um dann mit eigenständigen Konstruktionen bisher Getrenntes verbinden zu können. In keinem Buch zum Thema Neurologie bin ich auf so anschauliche Metaphern gestossen wie in diesem. Allein deswegen lohnt sich die Lektüre.