19.05.2010

Tausend Jahre Kulturgeschichte

von Eckhard Fürlus

Schätze des Aga Khan Museums im Martin-Gropius-Bau in Berlin

© Aga Khan Trust for Culture, Geneva, Switzerland
Es ist das erste Mal, dass diese Kunstwerke in Deutschland ausgestellt werden, und dass letzte Mal, dass sie in dieser Geschlossenheit in Europa zu sehen sind.

Seit dem 17. März und noch bis zum 6. Juni 2010 sind im Martin-Gropius-Bau mehr als 200 Meisterwerke aus der Sammlung des Aga Khan zu sehen. Diese Sammlung gilt als eine der größten und wertvollsten Sammlungen islamischer Kunst und bildet als Quintessenz den Kern der Ausstellung, die ab 2013 im zukünftigen neuen Aga Khan Museum in Toronto beheimatet sein wird, das von dem renommierten japanischen Architekten Fumihiko Maki entworfen wurde.

Die Berliner Schau, eine Veranstaltung des Aga Khan Trust for Culture in Zusammenarbeit mit den Berliner Festspielen, zeigt einige der weltweit bedeutendsten Kunstwerke – Gemälde, Zeichnungen, Buchillustrationen, Manuskripte, Inschriften, Metallgefäße, Keramiken und Holzarbeiten – aus der islamischen Welt in einer zeitlichen Dimension vom 8. bis zum 18. Jahrhundert, darunter Seiten aus dem persischen Heldenepos Shahanama, dem Buch der Könige, daneben das älteste arabische Manuskript des Kanons der Medizin des Ibn Sina (Avicenna), das über 500 Jahre als medizinisches Standardwerk und Lehrbuch für Ärzte in Europa galt. Es ist das erste Mal, dass diese Kunstwerke in Deutschland ausgestellt werden, und dass letzte Mal, dass sie in dieser Geschlossenheit in Europa zu sehen sind.

Die Ausstellung ist in zwei Hauptstränge gegliedert. Der erste Strang mit dem Titel „Das Wort Gottes“ präsentiert Koranmanuskripte, darunter eine Doppelseite des Buches Der Blaue Koran aus dem 9. Jahrhundert – blaue Pergamentbögen mit goldenen Lettern, geschrieben im kufischen Duktus, die zu den kostbarsten und aufwendigsten Koranmanuskripten der Welt gehören –, ferner illustrierte Blätter und Objekte, die die Pilgerfahrt nach Mekka und den islamischen Mystizismus thematisieren, Quellen der Inspiration für viele Künstler und Architekten. Der zweite Strang trägt den Titel „Die Route der Reisenden“ und nimmt den Besucher mit auf den Weg durch die islamisch geprägte Welt von Al-Andalus, dem muslimischen Teil der Iberischen Halbinsel, zum Maghreb und Sizilien, zum fatimidischen und mamlukischen Ägypten, zum ottomanischen Konstantinopel, nach Damaskus und Bagdad bis nach Persien, Zentralasien und dem indischen Mogulreich. Die Kunstwerke aus dieser Zeit zeugen von der Geschicklichkeit und Kreativität der jeweiligen Gesellschaften und verweisen in ihrer Vielfalt auf die verschiedenen Einflüsse Europas und Asiens auf die islamische Kunst.

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Ein weiterer Ausstellungsteil ist dem Dichter Firdausi (940/941-1020) gewidmet, der vor 1000 Jahren das Shahnama, das 50 000 Verse umfassende persische Buch der Könige beendete. Es ist das Nationalepos und eines der berühmtesten Werke der persischen Literatur und befasst sich mit der Geschichte des antiken Persiens vor der muslimischen Eroberung. Für viele Schahs und Sultane wurde dieses Buch, das doppelt so umfangreich ist wie Homers Epen, wegen seines historischen und moralisch-ethischen Inhalts zum Vademecum, zu einem aufwendig illustrierten Handbuch, das von der Unabwendbarkeit menschlichen Schicksals und von der Missgunst der Völker handelt, die jenseits der iranischen Grenzen leben.

Seine Hoheit Prinz Aga Khan IV. hat darauf hingewiesen, dass im Westen noch immer wenig über die muslimische Welt mit ihrer heterogenen Geschichte und ihren unterschiedlichen Kulturen bekannt ist, noch weniger aber ihr Beitrag zum globalen kulturellen Erbe. In einem Einleitungstext schreibt Aga Khan IV., es sei dringend geboten, „dass beide Welten, die muslimische und die nicht-muslimische, der Osten und der Westen, sich aufrichtig darum bemühen, einander besser kennenzulernen, denn ich befürchte, dass wir es hier nicht mit einem ‚Clash of Civilisations’, sondern mit einem Kampf der Unwissenheit auf beiden Seiten zu tun haben. Kulturen offenbaren und artikulieren sich über ihre Kunst. Deshalb ist es die maßgebliche Aufgabe von Museen, Respekt und Anerkennung für die sozialen Strukturen, Werte und Glaubensvorstellungen zu fördern, welche grundlegende Bestandteile jener Gesellschaften sind, die diese Kunst hervorbrachten. Hiermit soll bewirkt werden, dass ganze Bevölkerungsgruppen die Möglichkeit erhalten, sich auf phantasievolle und intelligente Weise kennenzulernen.“

Der Katalog zur Ausstellung präsentiert anhand der über 200 Objekte die Vielfalt und den Reichtum des vom Islam geprägten Kulturraumes und gewährt Einblick in die Ausformungen und Kunstgattungen, in denen sich islamisches Gedankengut äußert. Die prächtigen Buchillustrationen mit Abbildungen von Menschen und Tieren widerlegen die unsinnige Auffassung über ein angebliches Bilderverbot in der islamischen Kunst.

Ab dem 30. April ist die Ausstellung täglich von 10 bis 20 Uhr geöffnet. Das Buch zur Ausstellung „Schätze des Aga Khan Museum – Meisterwerke der islamischen Kunst“ umfasst 272 Seiten; es enthält 217 farbige Abbildungen und kostet im Museum 26,- €, in der Buchhandelsausgabe 34,95 €.