15.06.2009

Leif Trenkler - Hula-Hoop

von Nils Röller

Hula-Hoop, das ist Hawaii in Brooklyn, das sind Kornblumen auf dem Mond. Der deutsche Künstler Leif Trenkler hat einen populären Plastikreifen als Titel für seine Ausstellung in Istanbul gewählt. Ein zentrales Werk der Ausstellung zeigt die Reifen, die das polynesische Wort „Hula“ für Tanz im Namen führen, in einer konsequenten bildnerischen Inszenierung.

Auf dem Bild „Hula-Hoop in Brooklyn “ erscheinen die Reifen als Linsen. Sie sind Wahrnehmungsformen. Mit ihnen wird der Blick der Betrachter auf eine Strassenszene gelenkt. Von exotischen polynesischen „Hulas“ zwischen Vulkanen und Korallenriffen ist hier nichts zu spüren, vielmehr etwas von grosstädtischer Tristesse und zweifelhaftem Wasser auf dem Boden. Kinder spielen hier vereinzelt. Kein Rhythmus koordiniert ihre Bewegungen. Ob die Kinder geschickt gymnastische Übungen mit dem kreisrunden Sportgerät ausüben können, das zeigt uns Trenkler nicht. Er betont – und das gilt auch für andere Bilder wie „Ausflug auf Europa“ oder „Buzz Aldrin erklärt das Universum“ - einen Zustand der Schwebe. Im Brooklyner „Hula-Hoop“ gefällt dies bizarr. Denn die Gestik der Kinder ist durch Hinter- und Seitengrund spannungsreich aufgeladen. Durch die Reifen führt Trenkler die Augen der Betrachter auf eine steinerne Welt, die dabei eine ungewöhnliche Tönung erhält. Die Reifen hellen auf und die Kinder scheinen das schon lange zu wissen.

Doch kein Auge ist zu sehen, das zumindest die Illusion eines Einverständnisses gestatten würde. Nicht einmal die Figuren auf den Bildern wenden einander ihre Gesichter zu. Aber im Unterschied zu den berühmten Blicken Manets oder den Gesichtern Hoppers - deren Figuren in unbestimmte Fernen sehen oder mit der Besinnung auf innere Landschaften beschäftigt sind - präsentiert Trenkler Blicke in einem Moment eigenartiger freudiger Gestimmtheit. Seine Figuren sehen etwas Interessantes, auch wenn wir als Betrachter das nicht sehen können. Spielende Kinder, badende, schlendernde oder fahrende Figuren situiert Trenkler in Brooklyn, São Paulo, Miami oder an unbekannten Gewässern. Manchmal ist der Himmel azur klar. Aber das ist eine klinische Klarheit, die irreal wirkt. Meistens türmen sich an den Himmeln Trenklers Formen auf, die atmosphärische Veränderungen ankündigen. Die Figuren wirken nicht erschreckt, sondern vielmehr freudig interessiert. Ihre Augen sind oft durch Sonnenbrillen geschützt.

Zwei Szenen Trenklers sind in São Paulo und Miami, also Städten des internationalen Kunstbetriebs, lokalisiert. Ist das Sehen an diesen Stätten des Kunsthandels bedroht? So naiv marktkritisch ist Trenkler nicht. Denn seine Figuren sehen, auch wenn sie die Betrachter nicht ansehen. In einem aufschlussreichen Bild zeigt uns Trenkler einen möglichen Anlass für den Zustand freudiger Schwebe, in dem er seine Figuren zu halten versteht. In „Buzz Aldrin erklärt das Universum“ wird der Astronaut, der als zweiter Mensch den Mond betrat, in seiner massiven weissen Ausrüstung frontal vor dem Betrachter aufgebaut. Seine Augen verschwinden hinter einem Blickschutz. In ihm spiegelt sich braun golden die Umgebung. Buzz kämpft mit der Schwerelosigkeit. Es ist jedoch keine physikalische, sondern eine mentale Schwebe, die Trenkler in diesem Bild inszeniert. Der Astronaut scheint - kaum auf dem Mond gelandet - vor freudiger Überraschung bereits wieder abzuheben. Denn er sieht auf dem Mond blühende Pflanzen, also etwas Absurdes, Unfassbares. Das gefällt, zugleich ist es prekär. Die Pflanzen deuten auf psychedelische oder alkoholische Prozesse hin. Man kann hier eine Anspielung auf Buzz Aldrins späteren Alkoholprobleme sehen. Wichtiger ist, dass Trenklers Figuren etwas wahrnehmen, das wir als Betrachter so nicht wahrnehmen können. Sie schweben in besonderen Situationen. Diese sollen nicht geschickt im Sinne eines mentalen Hula-Hoop-Spiels entschlüsselt werden, sondern wollen Lust an der Wahrnehmung wecken.