30.03.2008

„Too Taaffe To Die“

von Eckhard Fürlus

Das Kunstmuseum Wolfsburg zeigt die erste große Werkschau von Philip Taaffe

Ich bin stets auf der Suche nach Repräsentanten, die für ihre Art so typisch sind,
dass sie fast schon als abstrakte Elemente existieren –
eine Destillation oder ein Einschließen aller Sonderformen.
Es geht um ein charakteristisches Merkmal, das in der Natur nicht existiert,
sondern nur durch unsere Beobachtung der Natur – oder, treffender formuliert,
durch meinen Kontakt mit geschichtlichem Material über die Natur.
Philip Taaffe

Am 7. März 2008 eröffnete das Kunstmuseum Wolfsburg in Anwesenheit des Künstlers eine Ausstellung über das malerische Werk von Philip Taaffe. Die Ausstellung „Das Leben der Formen“ und ist mit etwa 90 Gemälden und 250 graphischen Arbeiten aus 29 Jahren die bisher umfassendste Schau, die dem Werk des amerikanischen Malers gewidmet ist. Mit seinen Kultur und Zeiten überspannenden Bildern gilt Taaffe als der große Alchimist der zeitgenössischen Malerei.

  • Garden of Light, 1997
    © 2008 Philip Taaffe

Philip Taaffe wurde 1955 in Elizabeth, New Jersey, geboren und studierte an der Cooper Union in New York. Zu Beginn der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde er mit der Bewegung der Appropriation Art, die sich an Vorbilder aus der Geschichte der modernen Kunst anlehnte und konzeptuelles Denken in der bildenden Kunst propagierte, bekannt. Zu dieser Gruppe gehörten die Künstler Ross Bleckner, Peter Halley, Sherrie Levine und Elaine Sturtevant. Taaffe verband die Konzeption abstrakter Kunst mit Untersuchungen zum Ornament als der Imaginationskraft einer viele tausend Jahre alten Kulturgeschichte. So lautet denn der Titel der Ausstellung in Anlehnung an ein Buch des französischen Kunsttheoretikers Henri Focillon folgerichtig „Philip Taaffe: Das Leben der Formen. Werke 1980-2008“.

Die Entwicklung der Abstraktion als eine Fortsetzung der Ornamentgeschichte früher als andere erkannt zu haben, ist das Verdienst Philip Taaffes. Erste Ausstellungen präsentierten seine Arbeiten 1982 in New York und 1984 in Hamburg. Als Ergebnis seiner Beschäftigung mit der Ethnographie entstehen Mitte der 80er Jahre Bilder wie ‚Moonman’; in ihnen manifestiert sich sein Interesse an der menschlichen Figur. Zwischen 1988 und 1991 lebte Taaffe in Neapel. Die Stadt reizt ihn nicht allein wegen ihrer europäisch-mediterranen Lage, sondern auch aufgrund ihrer Nähe zu den islamischen und afrikanischen Kulturen. Zu den von Philip Taaffe bereisten Länder des Mittelmeerraums gehören Ägypten, Marokko, Spanien, Syrien, die Türkei und Tunesien; Reiseeindrücke aus nordafrikanischen Ländern finden ihren Niederschlag in z.T. großformatigen Bildern wie ‚Old Cairo’ (1989) und ‚Kharraqan’ (1998/1999), in denen er abstrakte geometrische Formen und stilisierte florale Elemente zur Grundlage seiner Bildkomposition macht. Für den Westen, so heißt es in einem Begleittext zur Ausstellung, wird damit „eine Tradition wieder fassbar, in der Dekoration entscheidend ist, weil Darstellungen der menschlichen Figur verboten sind. Selbst die Schrift wird hier zum Ornament, das Ornament wird als Weltsprache greifbar.“

Der Gang durch die Ausstellung erfolgt in der Form eines Mäanders; einzelnen Stationen des Werks wird in der hier durch den Museumskurator Holger Broeker eigens konzipierten Ausstellungsarchitektur besondere Aufmerksamkeit zuteil. Zu den auffälligsten Merkmalen in den von einem tiefen Bedürfnis nach Spiritualität und Transzendenz charakterisierten Bildern von Philip Taaffe gehört das Überlagerungsverfahren, bei dem er verschiedene Techniken wie Malerei, Radierung, Siebdruck, Frottage und Holzschnitt auf der Leinwand kombiniert. Objekte aus der islamischen Kulturgeschichte, die u.a. vom Museum für Islamische Kunst Berlin für diese Ausstellung zur Verfügung gestellt wurden, naturwissenschaftliche Fundstücke und naturkundliche Buchillustrationen bilden eine marginale, aber willkommene Ergänzung zu dieser Schau. Im Mittelpunkt der Ausstellung steht das „Wolfsburg cabinet“, ein Kubus, dessen schwarzer Innenraum mit etwa 250 Monotypien zu einer intensiven Auseinandersetzung mit der Formensprache Taaffes einlädt.

  • Philip Taaffe, ©
  • Philip Taaffe, ©
  • Philip Taaffe, ©
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Philip Taaffe arbeitet an einer universalen Weltsprache der Abstraktion, die die Ornamentik verschiedener Kulturen und Gegenden der Welt zusammenbringt. Als Niederschlag seiner ästhetischen Recherche – Taaffe nennt sie „visual poems“ oder „collective constructions“ – entdecken wir auf den Leinwänden arabische, asiatische, indianische, japanische, keltische und präkolumbische Einflüsse, die Philip Taaffe in der Sicht des Kunstmuseums Wolfsburg als „Mittler zwischen den Kulturen“ ausweisen.

Die Problematik, die mit einem derartigen kulturellen Crossover verbunden ist, verdrängt man nur zu gern während des Rundgangs durch die Ausstellung, doch klingt sie an in einigen wenigen Sätzen, mit denen das Museum selbst den amerikanischen Künstler im Rahmen seiner aktuellen Ausstellungskonzeption verortet, und ist mit dem Begriff Kanonbildung und einer Tendenz zur Universalisierung nur unzureichend beschrieben. Innerhalb des vom Kunstmuseum als Forschungsprojekt angelegten Generalthemas „Auf der Suche nach der Moderne im 21. Jahrhundert“ will man in Wolfsburg mit dieser Ausstellung einen Beitrag leisten „zur Frage nach einer noch zu definierenden ‚Weltkunst’ in einer globalisierten Welt“. – Der sehr schöne Katalog zur Ausstellung ist mit 240 Seiten als ein Standardwerk zum Werk Taaffes angelegt; er kostet im Museumsshop 32,- Euro und enthält auf ganzen bzw. doppelten Seiten nahezu alle Exponate der Ausstellung, etliche Äußerungen des Künstlers zu einzelnen Arbeiten und Werkgruppen sowie Texte von Kay Heymer, Markus Brüderlin und Holger Broeker. Ein ausführliches Gespräch des New Yorker Kunsthistorikers Brooks Adams mit Philip Taaffe vertieft die Annäherung an die Person und das vielschichtige Werk.

www.kunstmuseum-wolfsburg.de