03.11.2006

Das achte Feld

von Nadine Minkwitz

Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960

Der Titel der Ausstellung bezieht sich auf eine Regel beim Schach, in der sich im Achten Feld der Bauer in eine andere Figur verwandeln kann, beispielsweise in eine Dame. Ein Mann wird zur Frau, eine machtlose Figur wird mächtig.

Den Schachlaien gibt der Untertitel die nötige Einleitung zur Ausstellung, doch wer diese Regel kennt, weiß sofort, was man im Museum Ludwig in Köln zu sehen bekommt:

Körper, besonders der menschliche Körper und die damit verbundene Frage nach der eigenen Identität, die Frage dessen, was männlich und was weiblich ist, war schon immer und ist nach wie vor ein wichtiges und zentrales Thema unserer Gesellschaft und somit auch in der Kunst.

Es ist das Thema mit dem sich Künstler jeder Sparte seit jeher beschäftigen. Konstruktionen von Identität und Identitätswechsel- und veränderungen jeglicher Art, Definitionen und Umformulierungen der Geschlechter werden durchgespielt, durchlitten, auseinander genommen und wieder neu zusammengesetzt.

Vor diesem Hintergrund bietet die riesige Ausstellung ein umfassendes und breit gefächertes Gesamtbild, die Auswahl der einzelnen Kunstwerke jedoch erscheint willkürlich und teilweise zusammenhangslos und zufällig. Ausgestellt sind über 250 Werke von mehr als 80 KünstlerInnen, verteilt auf alle Stockwerke des Museums, erstmals werden auch das Treppenhaus und andere Wege mit in die Ausstellung einbezogen und besetzt.

  • Louise Bourgeois, ©
  • Altered Image #2, ©
  • Bearded Cockette, ©
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Schlüsselfiguren von Man Ray bis hin zu Andy Warhol, Cindy Sherman und Robert Mapplethorpe, aber auch VALIE EXPORT, Jürgen Klauke, Jeff Wall und Matthew Barney bilden dabei den Spannungsbogen. Verteten ist also fast alles, was im Zusammenhang von Trans-, Homo-, Intersexualität, Gender und Transgender über die Jahre Rang und Namen erhalten hat, aber auf viele der ausgestellten Werke hätte man einer strengeren Auswahl zuliebe getrost verzichten können.

Da der Musik eine wichtige Rolle in den genannten Künstlerkreisen und Subkulturen zukommt, können über den Audioguide 50 Musiktitel von den siebziger Jahren bis heute die Ausstellung begleitend gehört werden; sie ermöglichen so eine erweiterte Einordnung der gezeigten künstlerischen Positionen. Eine zusätzliche Orientierung durch die Ausstellungsräume bietet eine Art Leitsystem, bestehend aus Erklärungstafeln und pinkfarbenen Plaketten auf dem Boden, welche die jeweilige strukturelle und thematische Zuordnung beschreiben wie beispielsweise "Portrait und Identität", "Weiblich/Männlich - Männlich/Weiblich" oder "Freunde".

Besonders sehenswert sind neben vielen anderen jedoch die fotografischen Arbeiten von Claude Cahun und Auszüge aus dem Bilderzyklus "Untitled Film Stills" von Cindy Sherman. - Die in den achtziger Jahren wiederentdeckte französische Fotografin Claude Cahun legte sich Synonyme zu und benutzte so ihren eigenen Körper und ihre tatsächliche Identität als Schauplatz der Kunst. Das Bewusstsein ihrer eigenen Person durch Selbstportraits und Inszenierungen prägen ihr in den zwanziger Jahren entstandenes Werk.

Die fotografischen Inszenierungen von Cindy Sherman mit dem Titel "Untitled Film Stills" thematisieren die Nachstellung filmischer Szenen der fünfziger Jahre. Sherman eignet sich hier weibliche Rollenklischees an, wonach die Frauen als passive, sich ihrem Schicksal ergebende Figuren dargestellt werden. Allein dafür lohnt sich ein Gang durch die Ausstellung und entschädigt für die ansonsten heillose Wahllosigkeit.

Die Ausstellung ist dienstags bis sonntags von 10-18 Uhr, und jeden ersten Freitag im Monat von 10 bis 23 Uhr geöffnet. Zur Austellung, die von der Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, der Kunststiftung NRW und der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert wird, ist im Verlag Hatje Cantz ein reich bebildeter Katalog erschienen mit Beiträgen von Judith Butler, Douglas Crimp, Diedrich Diederichsen, Harald Fricke, Julia Friedrich, Hanne Loreck, Thomas Meinecke, Eva Meyer, Cristina Nord und Frank Wagner. Der Katalog kostet im Museum 34 Euro, im Buchhandel 39,80 Euro. Weitere Informationen lassen sich im Internet abrufen unter www.museum-ludwig.de

Museum Ludwig, Bischofsgartenstraße 1, 50667 Köln
Tel:+49-221-221-26165
Fax:+49-221-221-24114
E-Mail: info@museum-ludwig.de