23.01.2006

Notizen eines Kerzenhändlers - Folge 36

von Nils Röller

Die Kunst von Georg Bush besteht darin, gefährliche Dynamiken mit einer markigen Parole zu bannen.

Die Kunst von Georg Bush besteht darin, gefährliche Dynamiken mit einer markigen Parole zu bannen. Hart arbeiten sollen die Amerikaner, deren Renten nicht gesichert sind. Wenn sie hart arbeiten, werden sie ein eigenes Nest im Alter bewohnen können, so George Bush. Hilflos argumentieren die Demokarten dagegen. Statt markiger Sprüche, argumentieren sie mit funktionalen Zusammenhängen. Das ist zwar moderner und entspricht den Erfordernissen unserer Welt, doch haben sie noch keine Sprache gefunden, das zu vermitteln. Kunst, Journalismus, Dichtung und Philosophie haben noch nicht ihre Wortwahl so gewitzt, dass man Gefahren, die in kombinatorischen Explosionen liegen, anschaulich in Sekunden darstellen kann. Die Demokraten rechnen vor, dass Bush in zehn Jahren 2 Billionen Dollar Schulden in der Rentenkasse verursachen wird. Mit dieser Rechnung dringen sie nicht durch zu den zappenden Zuschauern. Franz Müntefering setzte im Deutschland des Jahres 2005 der liberalen Rhetorik der Manager eine biblische Angst entgegen: Die Angst vor den Heuschrecken, die das Getreide des erschreckten deutschen Volks fressen, um die sich der Ex-Kanzler Gerhard Schröder wenig kümmert. Interessant wäre dabei eine Lehre, die Hollywood vermittelt: Heuschrecken sehen zwar abstossend aus, sind aber sehr nährreich und können den in der Wüste Darbenden überlebenswichtigen Nährstoff bieten. Dazu muss man allerdings Heuschrecken auffangen. Wie aber fängt man Managerschrecken auf? Mit Netzen und wertvollen Ködern? Ein Köder für Journalisten, die ihren Chefs auflagenstärkende Sensationen bieten möchten, sind die Oxyrhynchos-Fragmente. In ihnen verbergen sich „Spürhunde“, „Netzfischer“ und sensationelle Teile der Epigonoi, einer verschollenen Tragödie des griechischen Dramatikers Sophokles. Die Epigonoi-Fragmente lockten im Frühsommer 05 Journalisten nach Oxford, wo die Fragmente gesichtet werden. Sie stammen aus einer antiken Müllhalde in Ägypten, die 1897 von den Studenten Bernard Grenfell und Arthur Hunt aus Oxford gefunden wurden. Seitdem widmen Gelehrte ihre Lebenszeit der Entzifferung und Sortierung dieser Papyros-Fetzen. Ob die Gelehrten Zeit hatten, dabei ihr eigenes Nest zu bauen, ist fraglich. Ungeachtet, ob sie hart im Sinne von George Bush gearbeitet haben oder nicht, ohne staatliche Hilfe, ohne den Willen, Pflege und Bau von kulturellen Nestern zu fördern, wären die Fragmente nicht zu retten gewesen. Dann könnten wir nicht in den Zeitungen der Welt folgenden Dialog aus der Antike lesen:

Sprecher A: …verschlingend das ganze, schärfend das blitzende Eisen.
Sprecher B: Und die Helme schütteln ihre blaurot gefärbten Büsche, und für die Träger der Brustpanzer lassen die Weber die Lieder des weisen Schiffchens ertönen, das jene weckt, die schlafen.
Sprecher A: Und zusammen leimt er die Brüstung des Streitwagens“.

[...] gut bedient wären die Kritiker, wenn sie ihre vernünftigen Stimmen schärfen und in der Prime time argumentativ blitzen lassen.

George Bush hat es bisher erfolgreich verstanden, seine streitbare Politik durch markige Sprüche zu leimen und damit war er seinen Kritikern, die Phänomene unvermittelbar zerlegen, überlegen. Weise ist seine Politik nicht, gut bedient wären die Kritiker, wenn sie ihre vernünftigen Stimmen schärfen und in der Prime time argumentativ blitzen lassen. Vielleicht verzaubern sie mit dem Klang ihrer Stimmen Heuschrecken, deren Nährwert die Bevölkerung motiviert, siegreiche Gesänge gegen die dreiste Verführungskraft Bushs zu erheben? Gibt es dafür Berater? Zeich ist nicht ein Mann des Volkes, auch nicht ein Helfer Kerzens, vielmehr hilft Kerz Zeich. Er stellt ihm sich als Medium zur Verfügung, in dem er seine Angebereien ausbreiten kann. Zeich hat offensichtlich niemanden, der ihm zuhört, keinen Präsidenten und erst längst kein Volk. Zeich hat auch gute Seiten, heute schenkte er einige davon Kerz. Auf diesen Seiten stehen Hinweise für den Handel von Konsumerprodukten und von Luxusmarken. Kosmetik und Hundefutter konkurrieren im gleichen Preissegment um die Gunst der heutigen Kunden. Die heutigen Kunden kaufen zu billigen Preisen in Discountern das Lebensnotwendige. So sparen sie Geld, um sich Luxusartikel wie Diesel-Jeans, ayurvedische Nahrungsergänzungen und politisch korrekt hergestellte T-Shirts von American Apparel zu erwerben. Mit diesen Artikeln erwerben die Kunden Werte. Werte, sind eine Chance, sich eine Orientierung im Alltag zu leisten, Werte, sind ein Schutzschild gegen die Ansprüche von Zahl, Berechnung und Effizienz. Das hat zur Folge, dass die Hersteller von Waren künftig vermehrt Werte herstellen und vermitteln müssen. Sie übernehmen die Aufgabe, die sonst Schule, Bildung und Politik zugesprochen worden ist. In Kerz steigt ein Wohlgefühl auf, als er diese Seiten liest. Er meint einen Lichtblick in der Zukunft wahrzunehmen, Hoffnung. Das ist wertvoll. Merkwürdig, denn die Seiten, die ihm diesen Wert vermittelt haben, verfolgten eigentlich das Ziel, der Industrie einen Weg zu weisen, weiterhin Geld zu verdienen.