Notizen eines Kerzenhändlers - Einleitung

Der Baron von Münchhausen will es mit dem eigenen Schopf vorgeführt haben, das bootstrapping. Bootstrapping, das ist eine Methode, sich selbst aus einem Schlamassel zu ziehen. In der Geschichte Münchhausens war die Lage noch übersichtlich. Der Baron konnte sich am eigenen Schopf aus einem Morast befreien. Für Kerz ist das anders. Er sieht in der Ferne Ziele (wie die Akademie in Cuzco (siehe: Brief an José Carlos Mariatequi), verfolgt die Realisierung dieser Idee jedoch nicht auf geradem Weg, sondern lässt sich ablenken von Worten, Bildern und Menschen, denen er begegnet. Notiert er diese Ablenkungen, dann verstrickt er sich in Zeichenbewegungen, die ihn aus der Gegenwart entfernen. Notiert er nichts, dann verliert er die Auseinandersetzung mit sich selbst, dann verliert er die Verbindungen zwischen sich und seinem Lebensentwurf. Offen bleibt die Frage, wovon Kerz lebt. Er handelt mit Kerzen und führt deshalb ein Geschäft, das für einige Zeit in Köln Kalk angesiedelt ist.

Notizen: Sind eine Form, eine Unterhaltung mit sich selbst zu führen, z.B. über die eigene Gegenwart, die man ändern möchte, z.B. über die eigene Vergangenheit, die im Licht der Gegenwart erscheint. Diese Notizen leben von Rhythmen, von zeitlichen Strukturen, die andere vorgeben, z.B. die Herausgeber von Texten oder die Koordinatoren öffentlicher Verkehrsmittel. Ich nutze die Zeit, die mir andere (beim Transfer von irgendetwas oder indem sie mich warten lassen) zumuten. Ich nutze die Zeit für Notationen. Eine Notiz gewinnt an Bewegung durch die Möglichkeit einer Akademie in Cuzco und der Hoffnung, das eigene Selbst in Verbindung mit anderen an einem besonderen Ort zu setzen. Arbeiten von Freunden und das eigene Geschäft werden zeitweilig von dieser Bewegung erfasst, führen auch zu anderen Zeichenbewegungen. Der Kerzenhändler beobachtet, dass er sich besser fühlt, wenn er im Sinne dieser Bewegungen Zeichen notiert, als wenn er in seinem Geschäft auf Kunden wartet.

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